Wieso uns das neue Jahr neue Lebensqualität verschafft
Annemarie Pieper (79), Philosophin
«Lebensqualität ist eng verknüpft mit dem Zustand körperlich-geistig-seelischen Wohlbefindens, dessen Gleichgewicht durch Corona empfindlich gestört worden ist. Vor allem der Entzug von demokratischen Freiheitsrechten, die bisher völlig selbstverständlich in Anspruch genommen wurden, ist schwer zu verkraften. Besonders aufs Gemüt drücken die zum Schutz aller angeordneten Kontaktbeschränkungen, fordern sie doch eine Distanzierung von Mitmenschen ein, deren Nähe für das eigene Selbst- und Wertverständnis fundamental ist. Plötzlich erscheinen Freunde, Nachbarn, Bekannte als potenzielle Virusträger, die unserer Gesundheit schaden könnten.
Was wir jetzt brauchen, ist eine neue Vision für das «Später». Wie es das lateinische Wort visio sagt, geht es um ein Sehen, eine Sichtweise, die jedoch nicht nur das unmittelbar vor Augen Liegende in den Blick rückt, sondern zugleich vorausschaut in die Zukunft. Die Vision soll uns die Augen über die beunruhigende Wirklichkeit hinaus öffnen und mit spielerisch-fantasievollem Elan den Blick erweitern für ein neues aufregendes Miteinander. Wird das Abstandsgebot nach Eindämmung des Virus überflüssig und der Gemeinsinn kraftvoll aktiviert, wollen wir wieder eine Solidargemeinschaft sein, in der Nähe erwünscht ist und Mitmenschlichkeit den inneren Zusammenhalt festigt.
Allerdings haben wir auch begriffen, dass es nicht sinnvoll ist, umstandslos wieder in alte Gewohnheitsmuster zurückzufallen. Sich davon befreien zu müssen, mutet zunächst wie eine Einübung in Verzicht an. Denn die Entwürfe einer veränderten Normalität müssen auch Lösungen für Probleme enthalten, die der Lebensqualität der nach uns kommenden Generationen abträglich sind. Wie die Klimakrise etwa oder die exorbitanten Staatsschulden. Doch zugleich entdecken wir innovative Handlungsspielräume – für den Umgang mit uns selbst, den Mitmenschen, der Natur – und erweitern damit den Horizont unserer Freiheit.»
Nach em Räge schint d Sunne – oder warum 2021 ein grandioses Jahr wird
Christian Jott Jenny (42), Gemeindepräsident von St. Moritz, Sänger, Kulturproduzent
«Haben wir nun, ach! – das Jahr 2020 beinahe überstanden. Beinahe, denn in St. Moritz stehen mit den kommenden zwei Wochen die wohl wichtigsten Tage für einen Tourismusort vor der Tür. Kein Mensch, aber wirklich keiner kann mir sagen, was die nächsten Tage in diesem schicksalshaften Jahr noch bringen werden. Der Modus ist auf «Improvisation» eingestellt – wir planen von Tag zu Tag.
Auch ich hatte für die kommenden 20er-Jahre grosse Pläne: Ich träumte von einem grossartigen Programm, welches die «Roaring Twenties» neu aufleben liesse, einen grossen Retro-Abend mit viel Glanz und Gloria und toller Musik. Was wir alles hätten machen können auf dem gefrorenen St.-Moritzer-See! Ein winziges, unsichtbares Virus hat uns allen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kein Plan funktionierte mehr, sämtliche Excel-Listen und Powerpoint-Präsentationen, die grossartige Dreijahrespläne und «Forecasts» an die Leinwände projektierten – alles eitel Schaum.
Nun bleibt die Hoffnung, dass – so wie die «Roaring Twenties» die Spanische Grippe abgelöst hatten – es nun post-Covid ähnlich freudvoll aufwärtsgeht. 2021 wird, gemessen an diesen Tagen, schlicht grandios. Wir haben (hoffentlich) gelernt, dass wir nicht alles beeinflussen können. Das Schicksal schlägt schneller zu, als wir denken. Wir haben mehr als tausend und einen Grund zuversichtlich zu sein: Bald leben wir ein Jahr mit diesem Virus und sind dabei, mit ihm einen Umgang zu finden, ja, ihn zu akzeptieren, mit ihm zu leben. Noch nie wurde so schnell ein Impfstoff zugelassen, welcher uns hoffentlich wieder Normalität zurückgeben sollte. Wir lassen es zu, Dinge, die wir bis anhin für selbstverständlich erachtet haben, zu hinterfragen. Sei es im touristischen, aber auch in unserem alltäglichen Leben. Wir müssen die Chance packen, den längst angestauten Wahnsinn zu hinterfragen und die wahren Werte des Lebens zu erkennen. Hierzu war dieses Intermezzo vielleicht sogar, ich wage die kritische Wortwahl, positiv.»
Wie wir Zuversicht fürs nächste Jahr gelernt haben
Rita Famos (54), Theologin und Präsidentin der evangelisch-reformierten Kirche Schweiz
«Neulich hat eine Freundin auf Facebook gepostet: «Beim Nachdenken über dieses Jahr ... kommen mir all die kleinen schönen Momente (während all dem Verrückten) in den Sinn. Hier ein paar davon.» Darauf folgten Blitzlichter von kleinen schönen Eindrücken: eine Nebelschwade hüllt die Landschaft in mystisches Licht, eine Mohnblume öffnet ihren feuerroten Kelch, das Herbstlaub am Waldboden raschelt. Ich staune, bin berührt ob der Schönheit, und meine Alltagssorgen treten in den Hintergrund. Seelenwärmer-Moment würde ich es spontan nennen: ein Moment, der die Seele nährt.
Ich glaube, das geht nicht nur mir so. Corona hinterlässt, neben allem Schwierigen, auch positive Spuren: Viele, die ich kenne, haben gelernt, solche Seelenwärmer-Momente zu entdecken und sich von ihnen berühren zu lassen. Da ist der junge Vater, der sich während des Lockdowns zum ersten Mal seinem Nachbarn anvertraut und merkt, wie gut es tut, seine Sorgen zu teilen. Oder die Jugendliche, die ihren Online-Unterricht kurz verlässt, um für die hochbetagte Nachbarin einzukaufen. Sie macht das nicht für den Fünfliber, sondern freut sich über den dankbaren Gruss der Nachbarin hinter dem Fenster.
Darum blicke ich zuversichtlich in das neue Jahr: Wir haben trotz oder gerade in den enormen Belastungen gelernt, das Wunder des Lebens in unserer Umgebung zu entdecken und im Staunen Kraft zu schöpfen. Uns einander anzuvertrauen und darin Wärme zu spüren. Auf die Mitmenschen zu schauen und in der Sorge um sie selbst Erfüllung zu finden.
Es stimmt mich zuversichtlich, weil ich glaube, dass uns im Staunen, in der Gemeinschaft und in der Fürsorglichkeit Gott begegnet.»
Wieso der wichtigste Aufschwung 2021 nicht der wirtschaftliche sein wird
Bruno S. Frey (79), Ökonom und Glücksforscher an der Universität Basel und bei CREMA – Center for Research in Economics, Management and the Arts
«Das vergangene Jahr war nicht sehr erfreulich. Wir alle sind in vielerlei Hinsicht durch die Corona-Massnahmen stark eingeschränkt worden, und viele unter uns sind materiell und auch psychisch stark belastet worden. Ich bin aber überzeugt: 2021 wird besser – und darauf können wir uns freuen.
Ein wesentlicher Grund ist die Einführung der Impfungen gegen das Coronavirus. Die vielen staatlich aufgezwungenen Einschränkungen des täglichen Lebens können gelockert werden. Die im letzten Jahr empfindlich getroffenen Wirtschaftszweige werden sich erholen. Das Einkaufen kann wieder zu einem vergnüglichen Erlebnis werden, wir können wieder reisen und Sportanlässe besuchen und Gaststätten und Hotels geniessen. Es wird zwar nicht einfach sein, alle Kurzarbeitenden wieder in den normalen Wirtschaftsprozess einzufügen, aber der zu erwartende Wirtschaftsaufschwung wird diesen Prozess sicherlich stark erleichtern.
Der wichtigste Grund, für das neue Jahr optimistisch zu sein, besteht in der Möglichkeit, unsere menschlichen Beziehungen wieder vermehrt pflegen zu können. Freunde, Bekannte und Familie zu treffen und mit ihnen Zeit zu verbringen, gehört zu den wichtigsten Glücksfaktoren. Besonders die Jungen können vermehrt Gleichaltrige in Clubs und bei anderen Veranstaltungen treffen. Kinder können sich mit ihren Schulkameraden austauschen. Gerade neu in ein Studium Eintretende können erfahren, dass Hochschulen nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch ein Ort der Diskussion und des Zusammenlebens ist, was Freude bereitet.
Die Glücksforschung betont: Persönliche Kontakte lassen sich nicht völlig durch digitale Mechanismen ersetzen. Die Menschen werden weniger im Homeoffice isoliert. Die Mitarbeitenden erfahren wieder, wie wichtig der informelle Austausch an den Arbeitsplätzen, beim gemeinsamen Mittagessen und vor allem auch an der Caféecke ist.
Deshalb: Kopf hoch!»
Wie die Wissenschaft uns helfen wird, mit Corona zu leben
Mirko Bischofberger (40), Molekularbiologe und Leiter Kommunikation der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne
«Im Buch «Tausendundeine Nacht» geht es um einen legendären König, der feststellt, dass seine Frau ihn betrügt. Er tötet sie und beschliesst, jeden Tag eine neue Jungfrau zu heiraten und sie am Morgen darauf zu enthaupten. Doch nachdem es in seinem Reich fast keine Jungfrauen mehr gibt, bringt ihm der Wesir seine schlaue Tochter, die bekannte Scheherazade. Diese erzählt dem König in der ersten gemeinsamen Nacht eine Geschichte, die sie aber vor dem Morgengrauen an der spannendsten Stelle unterbricht. Da der König unbedingt das Ende hören will, verschiebt er die Enthauptung von Scheherazade und befiehlt ihr, am Abend darauf die Geschichte weiterzuerzählen. Doch Scheherazade unterbricht die Geschichte wieder am spannendsten Moment. Und wieder verschont der König ihr Leben. Und während der König unermüdlich auf eine Auflösung hofft, findet Scheherazade durch ihre List einen Weg, am Leben zu bleiben.
Das Pandemiejahr 2020 stellt für mich eine wissenschaftliche Parabel dieses arabischen Buchs dar. Als das neue Virus nämlich Anfang 2020 zum ersten Mal auf einem chinesischen Markt auftauchte, da wusste niemand genau, womit wir es zu tun hatten. Wir fanden aber schnell heraus, dass es sich um ein Virus aus der Corona-Familie handelte, welche seit fast 100 Jahren bekannt ist. Dann erfuhren wir, dass das Virus wohl von Fledermäusen oder Schuppentieren auf den Menschen sprang. Und dann, dass es eine Vielzahl von seltsamen Symptomen auslöst. Doch die wichtigste Erkenntnis war wohl, dass das Virus über seine molekularen Dornen auf der Oberfläche in unseren Körper gelangt. Diese Enthüllung ermöglichte dann auch die wahrscheinlich schnellste Impfstoffentwicklung in der Geschichte der Menschheit.
Was uns die Wissenschaft in diesem Pandemiejahr erzählt hat, entfaltete sich wie die Geschichten von Scheherazade – von Enthüllung zu Enthüllung, von einem unterbrochenen Höhepunkt zum anderen. Jede Auflösung ist bloss der Beginn einer neuen Erzählung. Wann kommt das Ende? Wohl nie. Doch während wir, wie der persische König, unermüdlich auf das Ende warten, so findet die Menschheit in der Zwischenzeit wohl einen Weg, mit diesem neuen Virus zu überleben – wie Scheherazade.»
Warum wir 2021 unseren Rhythmus wiederfinden
Crimer alias Alexander Frei (31), Sänger
«Langsam haben wir es raus, den Takt dieser grausigen Pandemie. Wir haben geprobt, kennen alle Breaks und wissen Bescheid, wie gespielt und getanzt werden muss, wenn man wieder vor ähnlichen Notenblättern steht: Nämlich fest umschlungen, im gleichen Beat schwofend und dabei immer schön aufs Tempo achtend.
Klar: 2020 war alles noch eine grosse Jam-Session, die einer lästigen Probe glich. Doch jetzt ist die Band so was von am Start, die neuen Saiten sind aufgezogen, Synthesizer sind frisch entstaubt und die Stimmen geschmeidig geölt. So kann die Zukunftsmusik einfach nur episch werden. Und auch wenn wir uns erneut von verlockenden Klängen oder billigen Hooks einlullen lassen, dann liegt das nun mal in unserer Natur und wird sich mit der Orchesterführung unserer legendären Arrangeurinnen und Dirigenten wieder ebnen.
Also lasst uns keine Ballade über Vergangenes singen, sondern die Freude und das Glück vom Kommenden vertonen. Und ganz bestimmt wird es die beste Nummer, die wir je geschrieben haben. Ich kann die vibrierenden Auto-Bassboxen, die schäbigen Bluetooth Speakers in den Küchen und die Chorgesänge an Konzerten schon hören. Es wird von den Dächern direkt ins Markbein hallen und für schönste Gänsehaut sorgen.
Logo, einfach war es nicht, denn keinesfalls vergessen wir die alten Klagelieder, doch manchmal komponiert das Leben halt mal einen DJ-Bobo-Song. Die Zeit wird unseren Hilfeschrei auf jeden Fall erhören und uns glücklicherweise auch wieder mit einem neuen 079 bescheren. Dessen bin ich mir ganz sicher. Und wenn das noch nicht genug gute Neuigkeiten sind: Euer Crimer wird auch noch ein paar neue Tracks im 2021 raushauen. In diesem Sinn: Danke fürs artige Einstudieren, bald ist die Zeit da, um wieder gemeinsam auf die Bühnen zu steppen!»
Wie Präsident Biden die Welt etwas besser machen wird
Suzi LeVine (51), Demokratin und ehemalige Botschafterin der USA in der Schweiz und Liechtenstein
«Das vergangene Jahr hat uns derart viel gelehrt, dass 2021 nur besser werden kann. Unsere persönlichen Beziehungen werden wir nicht mehr einfach als etwas betrachten, was von selbst funktioniert. Wir haben gemerkt, wie sehr uns Umarmungen, Handschläge und drei Küsse zur Begrüssung fehlen, wenn wir auf sie verzichten müssen.
Wenn ich den Fokus auf die USA lege und auf die vier vergangenen Jahre zurückblicke, wird mir von neuem bewusst, wie sehr wir global für Bedürfnisse wie gute Luft, sauberes Wasser und Gesundheit kämpfen müssen. Zusätzlich wird 2021 besser werden, weil wir wieder gelernt haben, dass demokratisches Denken, anständiges Handeln und der Glaube an die Wissenschaft keine selbstverständlichen Dinge sind – und wir uns umso mehr für sie einsetzen müssen.
Wenn Joe Biden und Kamala Harris am 20. Januar 2021 ihre Ämter als Präsident und Vizepräsidentin antreten, können sich Amerikanerinnen und Amerikaner (und indirekt die ganze Welt) auf folgende 10 Dinge freuen:
- Eine Regierung, die jedes Individuum respektiert und damit auch Menschen, die jemand anderen gewählt haben.
- Eine Regierung, die an Wissenschaft und Daten glaubt.
- Eine Regierung, die sich durch Qualität und Ethik auszeichnet.
- Endlich wieder aufwachen zu können, ohne sich vor dem neusten Tweet des Präsidenten fürchten zu müssen.
- Die Besiegung von Covid-19 mit Hilfe von Masken und Impfungen.
- Ein Plan, mit dem ein Ausweg aus der wirtschaftlichen Misere gefunden werden kann und von dem ALLE profitieren. Auch Jugendliche, die eine Ausbildung suchen.
- Wertschätzung von Diversität, Gleichheit und Inklusion.
- Wiederaufbau und Institutionalisierung der demokratischen Institutionen.
- Globales, partnerschaftliches Engagement für folgende Zwecke:
Menschenrechte schützen,
den Klimawandel bekämpfen; dazu gehört der Wiedereintritt ins Pariser Abkommen,
autoritäre Staatsoberhäupter zur Rechenschaft ziehen. - Schutz der Ehe für alle.
Ich persönlich sehne mich danach, 2021 hoffentlich wieder Freunde und Familienmitglieder treffen und wieder in die Schweiz, nach Liechtenstein und an andere schöne Orte reisen zu können. Ich möchte Menschen endlich wieder lachen sehen und meine Mutter fest drücken.»
Wie wir nächstes Jahr bessere Beziehungen führen
Dania Schiftan, Psychotherapeutin
«Was das Jahr 2020 im Zwischenmenschlichen prägt, ist, dass alle Normen über den Haufen geworfen wurden. Das Wort «Beziehung» steht für «Bezug», «bezogen sein» und beschreibt die Verbindung, die wir zu jemandem oder etwas haben. Aber: Keine Regel, die wir im Umgang mit Menschen hatten, konnte in diesem Jahr mehr greifen. Weder innerhalb der Familie, des Freundeskreises noch am Arbeitsplatz. Wir mussten überdenken, wie wir uns miteinander in Beziehung setzen möchten. Das Spektrum reichte von «gar keinen Kontakt mehr über «digitalen Kontakt» bis hin zu «wir sehen uns weiterhin – aber». Denn, darf man sich noch berühren, und wenn ja, wo und wie? Wie treten wir einander gegenüber? Betrachten wir das von der positiven Seite, ist diese Reflexion eine enorme Chance, um zu überprüfen, welche Beziehungen er oder sie fortsetzen möchte und welche Form sie haben soll.
Ganz vielen Menschen wurde bewusst, dass sie die gelebte Routine abstreifen wollen, dass sie den Kontakt mit gewissen Leuten nicht mehr fortsetzen möchten. Sie merkten, welche Personen ihnen wirklich wichtig sind – und welche weniger. Wir haben angefangen, uns zu fragen, mit wem wir uns wohlfühlen, mit wem wir gerne zusammen sind. Und so fand in vielen Beziehungen eine Zäsur statt, welche diese entweder massiv gestärkt oder aber stark an ihr gerüttelt hat.
Vielen Menschen ist stärker bewusst geworden, was sie in Beziehungen wirklich brauchen und haben wollen. Viele Themen werden als oberflächlicher eingestuft – wie unternehmenslustig jemand ist oder wie jemand aussieht, wurde ersetzt durch «wie ist jemand», wie die Beziehung funktioniert, wenn das Leben mal kopfsteht. Das Unverbindliche, das in den letzten Jahren immer mehr Menschen Mühe gemacht hat, macht einer tieferen Beziehung Platz. Wir sind mehr zur Essenz eines Menschen vorgedrungen.
Sehr schön wäre es, wenn wir das auch in Zukunft so leben können, wenn wir uns auch in Konflikten auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und uns überlegen können, ob es einen Streit wert ist – oder ob es Wichtigeres gibt, das Drüberstehen. So können Beziehungen wieder ehrlicher, verlässlicher und verantwortungsvoller werden.»
Wie 2021 grandios wird. Okay, vielleicht nicht grandios, aber zu 100 Prozent besser als 2020
Gülsha Adilji (35), Moderatorin und Künstlerin
«Positive Thinking: Ich krieg bei diesem Wort auch den Tschuderi, vor allem weil es immer wieder von Influencern mit Hashtags unter Bikini-Bilder gepostet wird, was komplett sinnlos ist. Angela, ich kann doch nicht positiv thinken wenn ich deinen perfekten Beachbody sehe! Aber dieses Positive Thinking funktioniert tatsächlich. Es lohnt sich, einen Ted-Talk anzuklicken und sich von Wissenschaftlerinnen die absolut wahnsinnigen Effekte erklären zu lassen. In unserem Gehirn passieren nämlich wundervollste Dinge, wenn wir das Glas als halbvoll deklarieren. Sprache: Unser Fleischcomputer ist wahrlich erstaunlich, aber manchmal auch sehr leicht zu überlisten. Unser Gehirn wird durch Sprache bzw. Worte geformt. Wenn wir ständig von Chaos, Katastrophe und Problemen sprechen, zieht das eine Kaskade von schlechten Vorgängen im Körper nach sich. Das Gehirn macht den Körper bereit zum Kämpfen oder Flüchten: Der Muskeltonus verändert sich, wir werden angespannt, der Puls kann sich erhöhen. Nehmen Sie sich für 2021 doch einfach vor, blumiger zu sprechen. Die Worte Chaos, Katastrophe und Probleme ersetzen Sie nächstes Jahr einfach durch «Herausforderung». Ich weiss, das klingt jetzt auch wieder biz einfältig, aber klicken Sie auch hierzu einen Ted-Talk an und lassen Sie sich das alles noch mal ganz genau von Wissenschaftlerinnen erklären. Mehr Good News: Lesen Sie 2021 etwas weniger News, zu viel ist der absolute Overkill für unser Gehirn – News hinterlassen bei Überkonsum ein schlechtes Gefühl. Schreiben Sie dafür Ihre eigenen Good News. Ja, ja, es klingt cringe, aber es hilft leider richtig gut, die geilen Glückshormone auszuschütten. Nehmen Sie sich jeden Tag ein paar Minuten Zeit und schreiben sich in Stichworten auf, wofür Sie aktuell dankbar sind.
Wenn man sich bisschen fokussiert und bisschen Energie aufwendet, um das Leben positiver zu machen, kann auch eine zweite, dritte und vierte Pandemie kommen oder eine Zombie-Apokalypse. Nicht die äusseren Einflüsse machen das Leben besser, sondern die innere Haltung.»
Wie wir die Corona-Kilos wieder loswerden
Bas Kast (47), Autor des Bestsellers «Der Ernährungskompass»
«Schon klar, die Corona-Wampe muss weg! Wir haben sie uns aus Frust angefuttert, jetzt werden wir sie mit Elan wieder los. Aber wie genau? Zum Glück gibt es eine frohe Botschaft, und sie kommt aus der Forschung: In den letzten Jahren hat sich immer mehr herausgestellt, dass wir, um abzunehmen, gar nicht unbedingt auf die vielbeschworene und verhasste FDH-Strategie (Friss die Hälfte) setzen müssen, ja nicht einmal sollten. Denn es geht auch weitaus klüger und damit entspannter und langfristig weitaus erfolgversprechender.
Wer wieder schlank werden will, sollte nicht weniger, sondern mehr essen. Ja, das haben Sie richtig gelesen. Allerdings mehr von jenen Lebensmitteln, die uns auch wirklich sättigen. Junkfood (Cola, Chips, Fertigpizzas …) sättigen uns unter anderem deshalb nicht, weil sie keine Ballaststoffe enthalten. Die aber brauchen wir, damit auch die Billionen von Bakterien in unserem Darm satt werden (unser Hunger wird erst gestillt, wenn auch die Bakterien satt sind, was erklärt, warum wir trotz Speckröllchen immer noch Appetit haben können).
Also her mit den Vollkornprodukten, den Haferflocken, dem Gemüse und nicht zuletzt den Supersättigern: den Hülsenfrüchten (Linsen, Bohnen, Kichererbsen – sie enthalten viel Eiweiss, was pro Kalorie nachweislich besser sättigt als Kohlenhydrate und Fett). Regel Nr. 2: Nicht die Kalorien, sondern die Stunden zählen. Sie können ganz normal essen, aber in einem Zeitfenster von, sagen wir, morgens 10 Uhr bis abends 18 Uhr. Intervall-Fasten hilft Ihnen beim Schlankwerden, weil es Ihrem Biorhythmus entgegenkommt (abends wollen auch unsere Organe ein Nickerchen machen und kein Essen verdauen, also macht abends essen besonders fett). Dazu passt auch Regel Nr. 3: Experimente zeigen: Wer morgens üppig frühstückt und abends wenig isst, nimmt stärker ab als jene, die umgekehrt morgens kaum etwas essen und abends dann eine Monsterspeise reinhauen. Wiederum zählen nicht die Kalorien, sondern das Timing.
Fazit: Es gibt so etwas wie «kluges Abnehmen». Wir können unsere Corona-Wampe wirklich und auf halbwegs angenehme Weise loswerden. Also, auf gehts!»