Es wird Sie erstaunen, dass ausgerechnet der Chefredaktor einer grossen Medienmarke so etwas schreibt, aber: Es gibt Dinge, über die redet man einfach nicht – jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Zum Beispiel über die Sicherheit von Bundesräten. Wer da Details ausplaudert, gefährdet die Amtsträger zusätzlich.
Ein weiteres Tabu sind Suizide. Allzu detaillierte Berichte über konkrete Fälle können gefährdete Menschen erwiesenermassen dazu bringen, sich ebenfalls umzubringen.
Im Kalten Krieg galt es als Landesverrat, den Standort von Bunkern publik zu machen, obwohl jeder wusste, wo die geheimen Anlagen stehen.
Dass Politik und Medien im höheren Interesse über gewisse Dinge schweigen müssen, dürfte jedem klar sein. Und doch hat letzte Woche ein ehemaliger Bundesrat ein bisher unbestrittenes Tabu gebrochen. Moritz Leuenberger plauderte in der «NZZ am Sonntag» aus, dass Regierungen – im Gegensatz zu sämtlichen Beteuerungen – eben doch Lösegelder zahlen, um entführte Bürger zu befreien: «Kommt eine Geisel frei, ist wohl meist bezahlt worden. Aber da steht nicht ‹Lösegeld› auf dem Einzahlungsschein, sondern da werden irgendwo Spesen abgebucht.»
Leuenberger löste einen Sturm der Entrüstung aus – zu Recht. Ein solches Eingeständnis aus dem Mund eines ehemaligen Regierungsmitglieds ist geradezu als Einladung an alle Terroristen dieser Welt zu verstehen, Jagd auf Schweizer Bürger zu machen.
Als der alt Bundesrat schliesslich zerknirscht erklärte, er bedaure seine Worte, die Formulierung sei «ungeschickt gewesen», fragten sich viele: War das echte Reue – oder eher eine faule Ausrede?
Moritz Leuenberger ist ein Mann des Worts, ein intellektueller Schöngeist, seine Reden sind legendär, weil er stundenlang an seinen Sätzen schleift, bis sie perfekt sitzen. Wenn jemandem nicht mal eben eine ungeschickte Formulierung rausrutscht, dann ihm!
Zwar kann es durchaus bereichernd sein, wenn höchste Vertreter der Eidgenossenschaft auch nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt mit all ihrer Erfahrung und ihrem Wissen in der Öffentlichkeit präsent sind.
Doch wenn die Eitelkeit so weit geht, dass ein erfahrener Politiker alle Regeln und guten Sitten ignoriert, um wieder mal in den Schlagzeilen zu stehen, wenn er dabei sogar Tabus bricht, bei denen es um Leben und Tod geht – dann ist das nur noch peinlich.