Am Montag war der oberste Moderna-Chef, Stéphane Bancel (49), auf Kurzbesuch in der Schweiz. Ich traf ihn zum grossen Blick-Interview: Einen CEO, der so enthusiastisch erzählen kann, was sein Unternehmen macht, habe ich selten erlebt.
Und wohl noch selten hat ein Mensch in kürzerer Zeit eine solch globale Bedeutung erlangt.
Vor zehn Jahren gab Bancel seine Karriere in einem internationalen Konzern auf, investierte das Familienvermögen in ein Start-up namens Moderna und wurde dessen Chef. Seine Rechnung: Wahrscheinlich wird die neue Firma scheitern – doch wenn nicht, wird sie die Medizin revolutionieren. Alles oder nichts!
Es hat sich gelohnt, dieses Risiko einzugehen. Am 2. März 2020 lud der damalige US-Präsident Donald Trump die CEOs von Pharmafirmen ins Weisse Haus ein und fragte, wie lange es dauern könnte, bis ein Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt sei. «Mehrere Jahre», sagten alle – bis auf einen. «Ein paar Monate», sagte Bancel.
Tump gab ihm eine Milliarde Dollar, um die Forschung an der neuartigen mRNA-Technologie zu beschleunigen. Deshalb verfügt die Welt heute über einen Impfstoff, der uns bald ein Leben in der gewohnten Normalität ermöglichen wird.
Es wird immer deutlicher sichtbar: Bei allem Tod, Elend und Verderben, das die Coronaviren mit sich brachten – es gibt auch Hoffnung!
Die Menschheit hatte grosses Glück, dass die Pandemie nicht früher ausbrach. Noch vor drei Jahren wäre die mRNA-Technologie nicht bereit gewesen. Die Welt würde weiterhin auf einen hochwirksamen Impfstoff warten, und wir alle würden uns vermutlich von Lockdown zu Lockdown hangeln.
Langfristig noch bedeutender könnte sein, welches Potenzial darüber hinaus in der mRNA-Technologie steckt – tatsächlich ist eine Revolution der Medizin möglich geworden! mRNA-Präparate sollen künftig nicht nur gegen alle Arten von Viren eingesetzt werden, sondern auch für individuelle Behandlungen, sogar gegen Krebs: Die mRNA-Methode vermag das Immunsystem derart zu stärken, dass es Karzinome besiegen kann, selbst wenn sich bereits Metastasen gebildet haben.
Bancel sagte mir mit einem Leuchten in den Augen: «Wenn sich die mRNA durchsetzt, wird die durchschnittliche Lebenserwartung spürbar steigen.»
Miesepeter mögen einwenden: Dann werden wir auch sicher länger arbeiten! Dann haben wir noch grössere Lücken bei der AHV! Dann müssen die Jungen noch mehr zahlen!
Doch angesichts dieser unglaublichen Errungenschaft lohnt es sich, solche Übergangsprobleme anzugehen und zu lösen. Denn gibt es eine bessere Neuigkeit für die Menschheit als die Aussicht auf mehr gesunde Lebensjahre? Sie sind das Wertvollste überhaupt, sie lassen sich auch mit allem Geld der Welt nicht kaufen.
Allerdings gab Novartis-Präsident Jörg Reinhardt im Blick bei einem Gespräch über den medizinischen Fortschritt zu bedenken: «Die Lebenserwartung mag bald auf 100 Jahre steigen, sie bleibt aber endlich.»
Auch das ist irgendwie tröstlich. Denn wenn wir ewig leben würden, wieso sollten wir dann noch irgendetwas anpacken und nicht alles auf ewig verschieben?