Die USA machen Tempo beim Impfen. Bereits 9,6 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft – doppelt so viel wie in der Schweiz (4,7 Prozent). Bis Ende Mai will US-Präsident Joe Biden (78) jedem der 257 Millionen erwachsenen Amerikanern ein Impfangebot machen. Das wäre sogar zwei Monate früher als ursprünglich geplant.
Das Lob dafür will aber Bidens Vorgänger: Donald Trump (74). «Ich hoffe, dass sich jeder, wenn er die Covid-19-Impfung bekommt, daran erinnert, dass er diesen schönen ‹Shot› frühestens in fünf Jahren bekommen hätte, wenn ich nicht Präsident gewesen wäre, und vielleicht auch gar nicht», behauptet der Ex-Präsident in einem am Mittwoch veröffentlichten Statement.
Beispielhaftes Impfprogramm dank Trump-Regierung
Es stimmt, dass die Trump-Regierung mit der «Operation Warp Speed» den Grundstein für die Impfkampagne in den USA gelegt hat. Das in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aufgesetzte Programm förderte die Massenproduktion mehrerer Impfstoffe und Impfstofftechnologien gleichzeitig und beschleunigte die Zulassungsverfahren. Die US-Regierung sicherte sich ausserdem frühzeitig bei allen vielversprechenden Herstellern Optionen. Das war zwar teuer, verschaffte Herstellern und Regierung aber Sicherheit.
Allerdings stimmt es nicht, dass ohne Trump kein Impfstoff verfügbar gewesen wäre. Schliesslich arbeiteten viele Hersteller und Länder mit Hochdruck an der Produktion. Selbst Entwicklungsländer erhalten über die Covax-Initiative in den nächsten Monaten Impfdosen, um zumindest 20 Prozent ihrer erwachsenen Bevölkerung zu impfen.
So beschleunigte Biden die Impfstoffproduktion
Zudem hat die Regierung von US-Präsident Joe Biden die Impfkampagne in den USA übernommen und ausgebaut. Wie die «New York Times» berichtet, unternahm Biden zwei wichtige Schritte, um die Impfstoffproduktion zu beschleunigen:
1. Er bemühte ein altes Kriegsproduktionsgesetz, damit der Hersteller Pfizer die erforderlichen schweren Maschinen für den Ausbau seines Werks in Michigan beschaffen konnte. Unter Trump wurde das Gesetz ebenfalls angewendet – allerdings nur für die Produktion von Schutzmaterial.
2. Er zwang einen Subunternehmer des Impfstoffherstellers Johnson & Johnson (in der Schweiz im Gegensatz zu den USA noch nicht zugelassen) dazu, rund um die Uhr zu arbeiten, um den Impfstoff schneller abzufüllen. Erst dadurch können vertraglich bereits festgelegte Produktionsziele eingehalten werden.
Auch Biden will das Lob für sich allein
Für seinen Fortschritt bei der Impfkampagne will Biden die volle Anerkennung. Bei einer Pressekonferenz am 2. März behauptete der US-Präsident gar: «Als ich ins Amt kam, hatte die vorherige Regierung nicht annähernd genug Impfstoff für Erwachsene in Amerika in Auftrag gegeben. Das haben wir korrigiert.»
Das Trump-Lager reagierte beleidigt. «Sie kritisieren, was wir getan haben, aber sie verwenden unser Drehbuch eins zu eins», sagte ein führender Gesundheitspolitiker der Ex-Regierung zur «New York Times».
Wer hat recht?
Gleichzeitig gilt das Verhältnis zwischen US-Regierung und Impfstoffherstellern unter Biden als deutlich harmonischer. Trump hatte Pfizer etwa im Wahlkampf vorgeworfen, die Impfstoffentwicklung zu langsam voranzutreiben. Der Pharmakonzern wiederum ärgerte sich, dass die Trump-Regierung für sie das Kriegsproduktionsgesetz nicht anwendete, damit Lieferanten Pfizer priorisieren müssen.
Am Ende liegt die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte. Keine der beiden Regierungen ist so schlecht, wie die jeweils andere behauptet – zum grossen Glück der Amerikaner, die sich wohl auf einen unbeschwerten Sommer freuen können. (kin)