Am Freitag vor einer Woche drohte der Bundesrat den Trödel-Kantonen Konsequenzen an, falls sie nicht endlich spuren. Am Dienstag, als die Ermahnten bereits härtere Massnahmen in die Wege leiteten, kündigte er plötzlich selber landesweite Verschärfungen an.
Ab heute Samstag schliessen Restaurants, Bars, Geschäfte, Sport- und Freizeiteinrichtungen um 19 Uhr. Am Sonntag bleibt fast alles zu.
Die Kantone murren, Beizer und Ladenbesitzer sind verzweifelt, der Zürcher «Tages-Anzeiger» beobachtet «totale Konfusion» und fragt: «Wie hat es dieses Land dermassen vermasseln können?»
Nur: Hat es die Schweiz wirklich derart vermasselt?
Seit Ausbruch der Pandemie bleiben den Bürgerinnen und Bürgern hierzulande deutlich mehr Freiheiten als Deutschen, Italienern, Franzosen oder Österreichern mit ihren Lockdowns und Ausgangssperren.
Die Schweiz hat einen Mittelweg zwischen Eindämmung der Infektionen und grösstmöglicher Normalität gewählt. Und so geht das öffentliche Leben – wie eine Handorgel – mal etwas auf, mal etwas zu. Die Schweiz ist ein Land des Kompromisses und des Föderalismus.
Die Schweiz hat sich bewusst dafür entschieden, nicht alles der grösstmöglichen Vermeidung von Todesfällen unterzuordnen. Hätte sie die gewollt, würden wir jetzt einen harten Lockdown durchmachen – inklusive mehr Vereinsamung, mehr seelischen Leids, mehr Pleiten, mehr Arbeitslosigkeit.
Selbstverständlich haben Bundesrat und Kantonsregierungen nicht immer alles richtig gemacht. Eher im Gegenteil, denn das unberechenbare Virus überfordert jeden. Es ist allerdings auch etwas billig, wenn immer wieder Epidemiologen, Politologen und Ökonomen im Nachhinein ganz genau wissen, wie man es hätte besser machen sollen ...
Nun aber stecken wir mittendrin. Deshalb sollten wir uns jetzt nicht länger im Kleinkrieg um Befindlichkeiten und Kompetenzen verheddern, sondern den Blick auf die grössten Gefahren richten:
- Die Infektionszahlen steigen auf hohem Niveau erneut an.
- Nach den Familienfeiern werden sie weiter zunehmen.
- Spitäler und Pflegepersonal sind am Anschlag, wie ihr dramatischer Appell an den Bundesrat beweist.
Das sind die drei entscheidenden Punkte. Alles andere ist jetzt sekundär. Und darum bleibt uns in diesen Tagen nur: noch einmal zurückstecken und die neuen Einschränkungen akzeptieren.
Anfang Januar steht uns ohnehin eine ruhige Zeit ins Haus, in der wir traditionell alles etwas herunterfahren – nichts spricht dagegen, es ausnahmsweise schon heute zu tun. Danach beginnt schon bald die grösste Impfaktion der Geschichte, die das Virus hoffentlich dauerhaft besiegen wird.