Richter sollen richten, nicht politisieren
1:49
Urteil von Klima-Aktivisten:Richter sollen richten, nicht politisieren

BlickPunkt über den Freispruch von Lausanner Klima-Aktivisten
Richter sollen richten, nicht politisieren

Wer eine Bankfiliale besetzt, macht sich des Hausfriedensbruchs schuldig. Eigentlich. Doch ein Richter in Lausanne sah das anders: Weil die Aktion von Klima-Aktivisten angeblich einer guten Sache diente, sprach er sie frei – ein Skandalurteil!
Publiziert: 17.01.2020 um 23:43 Uhr
|
Aktualisiert: 21.01.2020 um 09:28 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer-2.jpg
Christian Dorer

Die zwölf Klima-Aktivisten waren selbst am meisten überrascht, als der Lausanner Bezirksrichter am Montag sein Urteil verlas. Er sprach sie frei!

Sie waren perplex, weil sie genau wussten, dass sie eine Straftat begangen hatten. Im November packten sie in einer Lausanner Filiale der Credit Suisse Tennisschläger aus, spannten ein Netz und taten so, als würden sie einen Match spielen: als Protest gegen die Grossbank, die in klimaschädliche Projekte investiert – und mit Tennis-Star Roger Federer wirbt. Die Aktivisten liessen sich weder vom CS-Filialleiter noch von der Polizei vertreiben. Schliesslich mussten sie abgeführt werden.

Zugegeben, die Aktion war originell und erreichte ihr Ziel: öffentliche Aufmerksamkeit und Diskussionen über fragwürdige Geschäfte der Grossbank. Sogar Roger Federer reagierte. Er twitterte Respekt, Bewunderung und Dank für die jugendliche Klimabewegung.

Doch dass man keine Bankfiliale besetzen darf, dass die Aktion mit Verhaftungen enden und eine Busse die logische Folge sein würde – das alles wussten die Aktivisten. Sie hatten diese Konsequenzen einkalkuliert.

So weit, so gut. Der Skandal ist auch nicht die Aktion. Der Skandal ist das Urteil. Die Begründung des Richters für seinen Freispruch: Die Aktivisten hätten aus einem «rechtfertigenden Notstand» heraus gehandelt. Ihre Aktion sei der einzige Weg gewesen, um «die Credit Suisse zu einer Reaktion zu bewegen und um Öffentlichkeit zu erhalten».

Diese Begründung ist dreifach absurd.

Erstens ist ein privates Unternehmen nicht verpflichtet, auf Forderungen von Polit-Aktivisten zu reagieren. Und seit wann gibt es ein Recht auf Öffentlichkeit, die man mit einer illegalen Aktion erzwingen darf?

Zweitens ist niemand berechtigt, selbst zu entscheiden, wann Gesetze gebrochen werden dürfen. Wer für ein ehrenwertes Anliegen kämpft – etwa für gleiche Rechte für Frau und Mann, mehr Kinderkrippen, bessere Arbeitsbedingungen, wirksameren Tierschutz oder gegen den Hass im Netz: Darf sich der einfach über das Gesetz stellen?

Drittens: Wenn der Kampf für Klimaschutz den Status einer Notwehrhandlung erhält, dürften dann Klimaaktivisten ab sofort jederzeit Strassen blockieren, Flughäfen lahmlegen, Fleischesser, Warmduscher und alle anderen attackieren, die in ihren Augen zu viel CO2 produzieren?

Das Gesetz sieht Notwehr vor, wenn jemand unmittelbar an Leib und Leben gefährdet ist, und nicht für politische Forderungen. Wer der CS verbieten will, in klimaschädigende Projekte zu investieren, kann eine Initiative starten, 100'000 Unterschriften sammeln und das Volk abstimmen lassen.

Die Eidgenossenschaft ist eine funktionierende direkte Demokratie, in der jeder Bürger jegliches Anliegen einbringen kann. Und sie ist ein funktionierender Rechtsstaat, der über Politik und Ideologie steht.

Wenn ein Richter diesen Unterschied nicht versteht, hat er seinen Beruf verfehlt.

Bitte melde dich für eine Teilnahme an!
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?