Im Februar sass ich auf dem Besucherbalkon des slowakischen Parlaments. Ministerpräsident Robert Fico betrat den Saal. Bevor er seinen Platz einnahm, besprach er sich hinter vorgehaltener Hand mit Parteikollegen. Hinter mir raunten Medienschaffende: «Schau, der Fico plant neue korrupte Geschäfte», oder: «Der Mafioso soll mal aus dem Parlament verschwinden.»
Die Slowakei – noch vor wenigen Jahren ein Staat der Hoffnung – kämpft sich von einer Krise zur nächsten. Was am Mittwoch geschah, ist in den Augen der Bevölkerungsmehrheit nur ein besonders schreckliches Geschehnis. Und viele suchen jetzt einen Schuldigen. Ficos linksnationalistische Partei Smer gibt bereits den Medien die Verantwortung am Attentat auf ihren Vorsitzenden. Sie versucht seit Jahren, Zeitungen und Fernsehsender zum Schweigen zu bringen – kürzlich auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTVS.
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Nun steht die Slowakei am Scheideweg. Die Schüsse auf den Regierungschef könnten dazu führen, dass Ficos Anhänger noch radikaler gegen andere Parteien vorgehen, noch bestechlicher werden, noch näher an Russland rücken – und ihren Krieg gegen die Medien jetzt erst recht intensivieren. Wladimir Putin würde sich freuen, und die Mafia behielte freie Hand.
Zugleich ist die Hoffnung gross, dass die Slowakei das Attentat als symbolischen Auftakt eines neuen politischen Zeitalters begreifen lernt. Die Politik des Landes hat jetzt eine Chance, sich in Richtung Integrität zu bewegen, statt weiter staatliche Korruption und Lügen hinzunehmen wie ein Naturgesetz. Die Bluttat vom Mittwoch könnte sogar manchen Politikern die Augen geöffnet haben. Vielleicht überlegen sie es sich künftig zweimal, ob sie Staatsgelder in die eigenen Taschen stopfen wollen.
In einer früheren Version war dieser Kommentar mit einem Titel versehen, der missverstanden werden könnte. Die Redaktion hat diesen nach der Publikation abgeändert.