Bin ich prüde geworden? Vor 30 Jahren habe ich mein Bikini-Oberteil in der Badi fast immer abgelegt. Inzwischen halte ich es so wie die meisten Frauen: Oben ohne mache ich nur noch im getrennten Bereich, wo wir ungestört unter uns sind.
Nicht, weil so ein blanker Busen in der Badi noch für grosse Aufregung sorgen würde. So wie 1978, als im Marzilibad in Bern erstmals offiziell das Oberteil abgelegt werden durfte – da lauerten sofort Hobbyfotografen mit den grossen Objektiven. Dass die Sonne auch auf den weiblichen Busen scheinen darf, dafür haben Frauen lange gekämpft. Warum also freiwillig wieder mehr Textil? Damals war oben ohne ein emanzipierter Akt – bis er zum blossen Modetrend wurde.
Der Busen bleibt privat
Ausgerechnet jetzt, wo es niemanden mehr zu interessieren scheint, taucht der nackte Busen auf der politischen Bühne wieder auf. Die GLP-Politikerin Sandra Bienek hat beim Zürcher Stadtrat die Anfrage deponiert, ob Frauen in Zürcher Hallenbädern ohne Oberteil schwimmen dürfen. Der Busen ist wieder politisch und hat die Genderdebatte erreicht: für jede Brustwarze die gleichen Rechte.
Aber kann eine weibliche Brust gleich sein wie eine männliche? Und wollen Frauen das überhaupt? Im Juli wird der Stadtrat die Anfrage beantworten, womöglich sogar positiv. Das bedeutet nicht, dass deshalb die Hüllen fallen werden. Auch nicht, dass unsere Gesellschaft prüder geworden ist. Für die meisten Frauen ist ihr Busen nicht politisch, sondern Teil ihrer weiblichen Identität – und damit privat.