Max Voegtli versucht zu retten, was zu retten ist. Im Moment weniger den Planeten als seine Glaubwürdigkeit. Keine leichte Aufgabe für den Mediensprecher von Renovate Switzerland, der nach zwei Monaten Mexiko-Ferien, soeben aus dem Flugzeug gestiegen, wegen Nötigung, Sachbeschädigung und Störung des öffentlichen Verkehrs verurteilt wurde.
Der weltgewandte Voegtli löst die Aufgabe schlitzohrig, fast schon charmant. Offensiv bezeichnet er sich in seinem X-Profil (vormals Twitter) selber als das, was er ist: «Heuchler and Doppelmoralisch». Und im «Tages-Anzeiger» verkündete er sein neues Credo: «Lieber ein bisschen ein Heuchler als untätig.»
«Ein bisschen» ist zwar ein bisschen verharmlosend, aber auch clever. Denn Klimasünder Voegtli weiss: Niemand hat eine porentief weisse Weste, jeder verhält sich dann und wann heuchlerisch, jeder kennt Doppelmoral aus dem eigenen Sein. Wir alle gehen, fahren oder fliegen mit Widersprüchen durchs Leben. Voegtlis Botschaft also: Ich bin wie ihr, ihr seid wie ich.
Aber die Umarmung im Geist gilt nur für unser aller Inkonsequenz. Ansonsten erhebt er sich über alle andern. Denn: Ich tu wenigstens was! Während die andern, so seine Weltsicht, verantwortungslos die Welt zugrunde richten.
Doch was tun Aktivisten wie Voegtli, Renovate Switzerland oder Extinction Rebellion? Sie machen Wirbel, stören den Verkehr, verschandeln Kunstwerke. Sie machen nichts als Ärger, erreichen nichts ausser Aufmerksamkeit, hinterlassen nichts ausser genervte Mitmenschen. Und zwar meist solche – denn das sind die meisten –, die sich genauso um den Klimawandel sorgen und im Grossen oder halt im Kleinen ihren Beitrag zu leisten versuchen. Die kontraproduktiven Klimakleber schlagen offene Türen zu.
Das Problem von Voegtli und manchen Gleichgesinnten ist nicht die Heuchelei, sondern die Überheblichkeit. Sie meinen in naturgegebener Selbstverständlichkeit, anderen einen Lebenswandel aufzwingen oder sie im Alltag behindern zu dürfen. Woher sie die Legitimation dazu nehmen, ausser bei ihrer Arroganz, bleibt ihr Geheimnis.
Bezeichnend war Voegtlis Auftritt vor Gericht: Er zählte in seinem Plädoyer Wetterextreme und wissenschaftliche Berichte auf – mehr Rechtfertigung oder gar Argumentation braucht einer wie er nicht.
Klimakleber wollen nichts Falsches, aber sie tun Falsches. Statt sich an Giovanni Segantinis Bild «Alpweiden» zu kleben, hätte es Voegtli vielleicht besser länger angeschaut. Vielleicht hätte er etwas Respekt vor dem Werk eines anderen verspürt und angesichts der monumentalen Darstellung ein bisschen Bescheidenheit empfunden.