Schon gestern Morgen pfiffen es die Vögel von den Dächern, heute Mittag bewiesen es Primeln am Boden, und morgen Abend um 22.24 Uhr zeigt es auch der Kalender an: Es ist Frühling! Wer jetzt ein Stückchen Erde sein Eigen nennt – und sei es nur ein kleiner Topf auf dem Balkon –, der pflanzt bunte Blumen. Wer gar Beete hat, der freut sich über Tulpen und Narzissen, die allmählich schiessen und ans Licht drängen. Und die Obstbäume knospen bereits.
«Aber das Wichtigste ist der Garten», schrieb schon die englische Schriftstellerin Virginia Woolf (1882–1941) an ihren Ehemann Leonard Woolf (1880–1969). «Ich warne dich, er wird unser ganzer Stolz sein.» Am 1. Juli 1919 ersteigert das Paar für 700 Pfund Monk’s House samt Garten südlich von London bei Brighton. In diesem Umfeld wird Virginia Woolf ihre weltberühmten Romane «Mrs Dalloway» (1925), «Orlando» (1928) und «Die Wellen» (1931) schreiben – und im nahen Fluss ihr tragisches Ende finden.
Seit 1980 ist Monk’s House and Garden Teil des National Trust, jener britischen Stiftung unter königlicher Präsidentschaft, die sich um «Orte von historischem Interesse oder von Naturschönheit» kümmert. Autorin Caroline Zoob bewohnte zusammen mit ihrem Mann Monk’s House von 2000 bis 2011 und kümmerte sich um das Anwesen, das von April bis Oktober zwei bzw. drei Tage pro Woche für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Nun hat sie «der grünen Oase» einen hinreissenden Bildband gewidmet.
«Wir haben den Garten bepflanzt und gehegt, wie andere Pächter vor uns», schreibt Zoob. «Wie die Woolfs im Jahre 1919 hatten auch wir kaum Gartenerfahrung, dafür aber reichlich Enthusiasmus.» Der hat sich auf das Buch übertragen, das in sechs Kapiteln die Entwicklung von Monk’s House in den letzten über hundert Jahren nachzeichnet, auch einige biografische Anmerkungen zu den Woolfs enthält, das Hauptaugenmerk aber eindeutig auf die verschiedenen Gartenräume richtet.
Der Gärten sind viele: ein Obst-, Feigen-, Fischteich- und Gemüse-Garten, ein italienischer und der vor Virginias Schlafzimmer. Zoob: «Man kann sich vorstellen, wie sie den Ausblick geniessen und sich einig sind, dass es das schönste Zimmer im ganzen Haus sei und zu schade für ein Schlafzimmer, obwohl Virginia so viel Zeit krank im Bett verbrachte.» Es war denn auch vor allem Leonard Woolf, der den Garten gestaltete, den die Schriftstellerin dann in ihren Romanen verewigte.
«Im Garten, wo die Bäume dicht über den Blumenbeeten, Teichen und Gewächshäusern standen, sangen die Vögel im heissen Sonnenschein, jeder für sich», steht in Woolfs Roman «Die Wellen». Ihr Mann griff nie korrigierend ein, wenn sie über Blumen schrieb – mit fatalen Folgen: So schneiden in einem Roman die Protagonisten im Dezember blühende Rosen. Auf die Bitte des US-Verlags, das zu korrigieren, meinte Virginia Woolf, im Londoner Kew Garden (dem botanischen Garten) müsse es in diesem Monat bestimmt langstielige Rosen geben.
Caroline Zoob, «Virginia Woolfs Garten – die Geschichte der grünen Oase in Monk’s House», Gerstenberg
Caroline Zoob, «Virginia Woolfs Garten – die Geschichte der grünen Oase in Monk’s House», Gerstenberg