Meine Mutter war Hausfrau. Sie buk die besten Kuchen, wusch, was das Zeug hielt, und kochte von morgens bis abends für ihren Mann und die drei Söhne. Sie sah das als ihre Berufung an. Und wenn ich als aufmüpfiger Teenager mal ihre aufopfernde Hingabe hinterfragte, antwortete sie mit einem milden Lächeln und zeigte sich zufrieden. Hausfrau zu sein, war das Rollenmodell ihrer Generation – sie hatte Jahrgang 1924 –, auch wenn sie durchaus eine moderne Frau war.
«Das Konzept der bürgerlichen Hausfrau hat sich uns so nachhaltig eingeprägt, dass wir immer noch der Vorstellung anhängen, Frauen seien seit Urzeiten für den Haushalt (also für das Sammeln und nicht das Jagen) zuständig», schreibt die deutsche Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes (46) in ihrem eben erschienenen Buch – während die Männer durch eine körperlich oder intellektuell stärker fordernde «richtige» Arbeit für den Unterhalt der Familie sorgen (für Geld oder kalorienhaltiges Fleisch).
Dass das kein urzeitlicher Zustand ist, zeigt schon der Buchtitel «Die Erfindung der Hausfrau». Rulffes beschäftigt sich bereits während ihres Studiums an der Berliner Humboldt-Universität mit dem Thema und veröffentlicht 2018 ihre Doktorarbeit «Die angewiesene Frau», in der sie sich mit Haushaltsratgebern aus der Spätaufklärung beschäftigt: «Die Hausmutter in allen ihren Geschäfften» (1778–1781) des deutschen evangelischen Geistlichen Christian Friedrich Germershausen (1725–1810).
Dieses Werk von fünf Bänden à je rund 900 Seiten bildet den Kern von Rulffes' eben veröffentlichten Buchs. Sie präsentiert hier ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse auf populäre Weise. Die Publikation der «Hausmutter» zog ein ganz neues Genre von Hausmütterliteratur nach sich: «Das ist ökonomischen Lexika zu entnehmen, in denen um 1800 eine neue Unterkategorie eingeführt wurde, die nun zwischen weiblicher und männlicher Arbeit unterscheidet», so Rulffes.
Diese Unterscheidung gab es zuvor nicht: In Städten des frühen Mittelalters bekommen Frauen ein von Vater oder Ehemann unabhängiges Bürgerrecht – auf Betreiben der aufstrebenden Kaufleute, die viel unterwegs sind und in ihrer Abwesenheit die Geschäfte den Frauen übergeben. Und, patriarchale Zürcher Zünfter, aufgepasst: «In Köln zum Beispiel waren die Zünfte der Garnmacherinnen, Seidenweberinnen und Goldspinnerinnen ausschliesslich weiblich besetzt», schreibt Rulffes.
Es folgt der Dreissigjährige Krieg (1618–1648) – Verwüstungen, Pestepidemien, Missernten. «Damals wie heute gilt: Wenn es um Verteilkämpfe geht, ob nun um Arbeitsstellen oder die Höhe des Lohns, ziehen Frauen sehr oft den Kürzeren», so Rulffes. Und das bürgerliche Ideal der Liebesheirat, das sich seit Aufklärung und Romantik vor ökonomische Gründe für eine Eheschliessung schiebt, erweist sich für die Gattin als Bumerang: Sie verpflichtet sich dabei, die häusliche Arbeit ohne Erwartung einer Gegenleistung als «Liebesdienst» zu versehen.
Evke Rulffes, «Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung», HarperCollins