Das Cheminée war ein zentraler Ort in unserer Wohnung: Als Kind spielte ich gerne auf der Steinumrandung, manchmal schmolz dort ein Raclettekäse neben dem offenen Feuer, und am Sonntagnachmittag sassen die Eltern davor, schauten in die Flammen und schlürften Kaffee. Aufregung gab es nur dann, wenn von einem Tannenholzscheit eine Glut weg auf den Teppich spickte oder wenn der Rauch nicht richtig abzog und zurück ins Zimmer drückte. Sonst war das ein Ort der Gemütlichkeit.
«Es ist wie eine gemeinsame Bootsfahrt oder eine Reise im Auto», schreibt die deutsche Wissenschaftsjournalistin Jutta von Campenhausen (53) in ihrem neuen Buch «Das Kaminfeuer und das gute Leben». «Man muss nicht reden, wenn es etwas zu sehen gibt und man in Bewegung ist.» Genauso wenig müsse man reden, wenn man nebeneinander am Feuer sitze und den Tanz der Flammen beobachte. «Aus der entspannten Ruhe, die so entsteht, entwickeln sich oft besondere Gespräche.»
Spannend schreibt die studierte Biologin und Anthropologin über die Entwicklung der besonderen Beziehung zwischen Mensch und Feuer. «Sicher ist, dass der Mensch das einzige Lebewesen ist, das Feuer aktiv nutzt», schreibt von Campenhausen, «während Tiere Flammen und Glut in der Regel fliehen.» Feuer spiele bei der Entwicklung zahlreicher menschlicher Eigenschaften eine wichtige Rolle – so macht es rohe Nahrungsmittel ess- oder haltbar und ist die Bühne für das Erzählen von Mythen und Märchen sowie für religiöse Zeremonien.
Als älteste Belege für solche Nutzung gelten zwei Fundorte in Afrika: In Kenia und Südafrika sollen Hominiden bereits vor 1,4 bis 1,5 Millionen Jahren den Umgang mit Feuer geübt haben. Sie nutzten Wald- oder Steppenbrände nach Blitzeinschlägen. Bis der Mensch selber Feuer machen konnte, sollte es noch eine Weile gehen: Bei Grabungen in Frankreich fand man eine Neandertalerhöhle mit 35’000 Jahre alter Holzkohle, daneben Pyrit und Feuerstein – «das älteste Feuerzeug der Welt», so von Campenhausen.
Mit der Sesshaftigkeit holten die Menschen das Feuer ins Haus. «In einfachen Häusern ist der Herd die komplexeste Struktur im Gebäude», schreibt von Campenhausen. «Hier verbinden sich Technik- und Kulturgeschichte miteinander.» Stand der Herd zunächst in der Mitte des Hauses, wo der Rauch den Raum füllte und durch das Strohdach entwich, baute man später geschlossene Kaminabzüge. Von Campenhausen: «Damit solche Kamine stabil im Haus integriert werden konnten, musste das Herdfeuer an die Aussenwand.»
Im Spätmittelalter endete die Zeit des Universalherds, der für Kochen und Heizen zuständig war. Während die Kochstelle in der Küche ihrer Funktion nachging, avancierte das Cheminée zum Schmuckstück im Wohnzimmer. «Bis ins 14. Jahrhundert war die Nutzung des Kamins ein Vorrecht des Adels und der hohen Geistlichkeit», schreibt von Campenhausen. «Erst danach tauchte er auch in den Häusern wohlhabender Bürger auf.» Feuer im Wohnzimmer sorge auch im modernsten Haus für Atmosphäre und sei vor allem eines: anziehend.
«Das Kaminfeuer und das gute Leben», Wallstein
«Das Kaminfeuer und das gute Leben», Wallstein