Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
Papageien sollten ihren Partner selber auswählen dürfen

Severin Dressen (32) ist Direktor des Zoos Zürich und kennt die wilden Geheimnisse seiner Bewohner.
Publiziert: 08.11.2021 um 15:04 Uhr
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Bei Grosspapageien-Pärchen wie den Aras muss der Funke überspringen – sonst läufts nicht mit dem Nachwuchs.
Foto: Martin Bucher
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Severin DressenDirektor des Zoo Zürich

Papageien werden wichtige Tiere sein in unserer neuen Pantanal-Voliere. Die bunten Vögel sehen nicht nur toll aus, sondern sind leider auch oft stark bedroht. Ihre Farbe wird ihnen häufig zum Verhängnis. Denn neben der Zerstörung des Lebensraums ist es auch der illegale Handel für den Heimtiermarkt, der vielen Papageienarten schwer zu schaffen macht. Jede zweite Papageienart ist in ihrem Bestand gefährdet, und jede vierte Art ist vom Aussterben bedroht!

Es ist deshalb eine der zentralen Aufgaben moderner Zoos, solche bedrohten Arten zu züchten und Reservegruppen aufzubauen. Leider schaffen wir Zoos dies bei den Papageien im Moment aber noch nicht sehr gut. Gerade bei Grosspapageien wie den Aras gelingen nur wenigen Zoos erfolgreiche Nachzuchten.

Ein möglicher Grund dafür liegt in der Art, wie Grosspapageien als Paare zusammenfinden. Viele Ara-Arten leben in ihrem angestammten Lebensraum zumindest zeitweise in grossen Schwärmen. Ihren Partner oder ihre Partnerin suchen sie sich nach Kriterien aus, die wir Menschen noch nicht sehr gut verstehen.

In vielen Zoos gibt es nun aber keinen Platz, um einen ganzen Papageienschwarm zu halten. Vielmehr wird häufig einfach ein Männchen mit einem Weibchen zusammengehalten. Die Auswahl der Tiere macht das Europäische Erhaltungszuchtprogramm. Es achtet zum Beispiel darauf, dass die Tiere genetisch nicht miteinander verwandt sind.

Andere Kriterien bleiben dabei aber auf der Strecke. Während in der Natur bei der Partnerwahl der Papageien «Liebe im Spiel ist», wie es mein Kollege Matthias Reinschmidt vom Karlsruher Zoo nennt, wird Aras in Zoos der Partner oder die Partnerin einfach zugeteilt. Bei einigen dieser Paare springt zwar der sprichwörtliche Funke über, und sie haben regelmässig Nachwuchs. Aber bei der Mehrheit der Paare ist dies leider nicht der Fall.

Bei uns im Zoo soll die Pantanal-Voliere dies ändern. In der grossen Voliere haben wir die Möglichkeit, weit über hundert Papageien zu halten. In dieser grossen «Partnerbörse» für bedrohte Aras können sich unsere Papageien ihren Partner oder ihre Partnerin dann nach Lust und Laune selbst aussuchen. Genau nach den Kriterien, die ihnen wichtig sind.

Papageien sind bei der Partnerwahl mit gutem Grund wählerisch. Denn bei diesen Tieren hält die Paarwahl mehrere Jahre, manchmal sogar für immer. Da muss man sich sicher sein, dass man den/die Richtige/n erwischt. Interessieren sich zwei Papageien füreinander, schmusen und schnäbeln sie am Anfang zärtlich miteinander und machen sich die Federn schön. Der nächste Teil ist für uns etwas weniger romantisch, aber unser Geschmack zählt hier ja nicht. Die Papageien füttern sich gegenseitig mit hochgewürgter Nahrung. So können sie testen, ob der Partner die wichtige Aufgabe der Fütterung der Jungtiere gut übernehmen könnte.

Sobald sich bei uns in der Pantanal-Voliere ein Pärchen erfolgreich zusammengeschnäbelt hat, wird es die Voliere verlassen und an einem anderen Ort – entweder bei uns in einer speziellen Zuchtstation oder auch in einem anderen Zoo – hoffentlich für Nachwuchs sorgen. Brütende Aras will man nämlich nicht in einer für Besucher begehbaren Gemeinschaftsvoliere haben: Sie sind dann sehr aggressiv gegenüber Menschen und anderen Papageien.

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