Ich habe mal wieder Wochenenddienst. Zeit, um meine E-Mails abzuarbeiten, aber auch um eine Runde durch den Zoo zu drehen. Im Alltag komme ich ja dann doch wieder nicht dazu. Mein Ziel ist heute das Exotarium, wo unter anderem unsere Terrarien untergebracht sind. Als Jugendlicher habe ich selbst Fische und vor allem Frösche gehalten, und die Faszination ist mir immer noch geblieben.
Am Eingang empfängt mich Ronny, der Froschflüsterer unter unseren Tierpflegern. Wir gehen aber nicht in den Schaubereich der Terrarien, sondern es geht abwärts, immer weiter nach unten in den Keller des Hauses. Am Ende müssen wir noch durch eine dicke Stahltür und kommen schliesslich im Luftschutzraum des Exotariums an. Hier ist es schön kühl, und die Temperatur ist sehr konstant – ideale Bedingungen für die Zuchtterrarien eines besonderen Tieres.
Denn hier befindet sich eine der spannendsten, seltensten und bedrohtesten Arten des Zoos. Oophaga anchicayensis – das ist der fast unaussprechliche wissenschaftliche Name der Art. Auf Deutsch schon etwas einfacher auszusprechen: Harlekin-Baumsteiger. Diese Froschart wurde erst 2018 von Wissenschaftlern entdeckt. Sie existiert nur in einem kleinen Gebiet in Westkolumbien. Gerade mal auf einer Fläche von 715 Quadratkilometern, etwas grösser als der Kanton Glarus, ist der Frosch zu Hause. Er ist daher nur schon wegen seines kleinen Verbreitungsgebiets im Bestand gefährdet.
Der Harlekin-Baumsteiger ist gerade mal drei bis vier Zentimeter lang und hat Farben, die ihn zu einem perfekten Maskottchen machen würden für leider den falschen Klub, nämlich die BSC Young Boys: schwarz mit gelben Punkten. Ausserhalb von Südamerika hält nur der Zoo Zürich diese Froschart. Über ihre Biologie ist noch wenig bekannt. Daher kommt uns als Zoo eine wichtige Aufgabe bei der Erforschung der Art zu.
Mit der Nachzucht hat es dieses Jahr zumindest schon mal erfolgreich geklappt. Sie ist aber eine ziemliche Herausforderung. Das Weibchen legt seine Eier auf Blätter ab, wo sie das Männchen befruchtet. Wenn die Kaulquappe dann schlüpft, transportieren die Elterntiere sie einzeln in wassergefüllte Blattachseln. Dort füttern sie die Kaulquappen mit neu gelegten, unbefruchteten Eiern. Daher kommt auch ein Teil des wissenschaftlichen Namens. Oophaga bedeutet Eierfresser.
Damit das alles klappt, muss im Terrarium viel stimmen: das Futter, die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit. Und vor allem müssen die richtigen Pflanzen vorhanden sein. Dank der guten Arbeit und des Fingerspitzengefühls unserer Froschexpertinnen und Froschexperten stimmte bei uns heuer aber alles, und so hüpfen jetzt schon mehrere Miniausgaben der Baumsteiger durch das Terrarium.
Damit das in Zukunft auch unsere Gäste mitbekommen können, zügeln die Harlekin-Baumsteiger in ein paar Jahren aus dem Luftschutzraum in eine öffentlich zugängliche Forschungsstation. Dort haben sie dann nicht nur konstante Temperaturen, sondern auch ein dem Froschkönig würdiges Publikum.