Verbaler Missbrauch – Meyer rät
«Reden Sie mit ihm, geben Sie ihm die Chance, sich zu bessern»

Mein Freund (32) und ich (26) hatten eine schwere, von Gewalt geprägte Kindheit. Ich habe eine Therapie gemacht, er nicht. Er sagt immer wieder sehr verletzende Dinge – «nur aus Spass», behauptet er. Wie kann ich ihm sagen, dass ich das nicht will?
Publiziert: 13.11.2021 um 13:10 Uhr
Verbale Gewalt sollte man nicht über sich ergehen lassen.
Foto: Getty Images/Tetra images RF
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Thomas MeyerSchriftsteller und Kolumnist

Menschen, die andere verbal missbrauchen, stellen sich praktisch immer auf den Standpunkt, harmlose Witze zu machen. Das ist gleich doppelt gewalttätig: Erst erniedrigen sie einen, dann erklären sie, man sei humorlos und überempfindlich. Es braucht keine psychologische Ausbildung, um zu erkennen, dass die Betroffenen an einem miserablen Selbstwert leiden, mit ihren fiesen Sprüchen lediglich wiederholen, was ihre Eltern ihnen angetan haben, und ihre Opfer-Ohnmacht mildern, indem sie selbst zu Tätern werden.

Obwohl Sie eine ähnliche Vergangenheit haben wie Ihr Partner, gehen Sie wesentlich reifer damit um: Sie übernehmen Verantwortung und lassen Respekt walten. Ihr Partner scheint von den entsprechenden Einsichten und deren Umsetzung noch weit entfernt zu sein, und eigentlich entzieht das Ihrer Beziehung jeglichen Sinn, denn solange Sie bei diesem Mann bleiben, setzen Sie damit nur den Missbrauch fort, unter dem Sie so gelitten haben. Allerdings ist er auch nur ein Kind seiner Umstände und verdient es, von Ihnen liebevoll, aber unmissverständlich darauf hingewiesen zu werden, dass sein Benehmen in keiner Weise lustig, sondern nur verletzend ist, und dass Sie die Beziehung beenden werden, wenn er es nicht radikal ändert, und zwar unter Beibezug professioneller Hilfe. Möglich, dass er das als Erpressung empfinden und den Spiess gleich wieder umdrehen wird, aber dann wissen Sie, woran Sie sind.

Es gibt zahllose Männer da draussen, die Ähnliches durchgemacht haben wie Sie (was für das gegenseitige Verständnis nicht nur hilfreich, sondern vermutlich sogar notwendig ist), aber nicht so destruktiv damit umgehen wie Ihr aktueller Partner. Reden Sie mit ihm, geben Sie ihm die Chance, sich zu bessern – und entscheiden Sie dann zum Wohl Ihrer Seele.

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