«Wo liegt die Grenze bei der Miniaturisierung von Chips? Was passiert, wenn man an die physikalischen Grenzen stösst, wenn man also zu einzelnen Atomen kommt?»
Igor
Joël Mesot: Ohne Halbleiterchips geht in der modernen Gesellschaft und Wirtschaft gar nichts. Smartphones, Autos, Herzschrittmacher, Waschmaschinen — kaum mehr ein Gerät wird nicht durch Chips gesteuert. Entsprechend dramatisch wirkt sich die momentane Knappheit an Chips als Begleiterscheinung der Pandemie aus. Und entsprechend gespannt blicken wir momentan auf die Entwicklungen in Taiwan, dem zurzeit wichtigsten Chiplieferanten.
Hinter den immer höheren Rechenleistungen und stets neuen Anwendungen steht die Miniaturisierung der Transistoren. Auf den modernsten Chips befinden sich Milliarden von Transistoren. Könnte man diese Zahl an Bausteinen gleichmässig auf einem Tennisplatz verteilen, dann würde jedem Transistor kaum ein Quadratmillimeter Fläche zustehen. Auf einem Chip ist eine solche enorme Dichte nur möglich, weil die relevanten Strukturen eines einzelnen Transistors gerade mal einige zehn Nanometer lang sind (ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter).
Bei diesen Dimensionen stösst man an zwei Grenzen: an Fabrikationsgrenzen und, wie Sie sagen, an physikalische Grenzen. Die Massenanfertigung von Chips ist so anspruchsvoll, dass nur noch drei Firmen weltweit in der Lage sind, die neusten Chip-Generationen herzustellen – deswegen auch die Abhängigkeit von diesen Produzenten. Es gibt zwar Ansätze, die etablierten Transistortechnologien etwas weiter zu miniaturisieren und Probleme wie Stromzufuhr und Wärmeabfuhr zu lösen. Es bleiben aber die physikalischen Grenzen.
Ein Transistor ist im Wesentlichen ein Schalter, um elektrischen Strom ein- und auszuschalten. In der «Aus»-Stellung wird eine Potenzialbarriere hochgefahren. Man stelle sich eine Mauer vor, an der Elektronen wie Tennisbälle abprallen. Wird diese Mauer sehr dünn, dann passiert etwas Unerwartetes: Ein Teil des Stroms fliesst durch die Mauer hindurch. Dieser sogenannte «Tunneleffekt» ist ein quantenmechanisches Phänomen, und er macht sich bereits bei heutigen Geräten bemerkbar, als Hauptteil der Leckströme im Stand-by-Betrieb. Bei noch kleineren Dimensionen machen es die Tunnelströme irgendwann unmöglich, den Schalter überhaupt auf «Aus» stellen zu können. Berechnungen zeigen, dass dies bei Potenzialbarrieren kürzer als rund vier Nanometer auftreten könnte.
Weltweit wird deshalb intensiv an alternativen Transistor-Konzepten geforscht. An der ETH Zürich erkunden wir beispielsweise neue Ansätze für Komponenten mit atomaren Abmessungen. Unsere Forschenden konnten etwa in einer internationalen Kollaboration zeigen, wie man durch eine Kombination von elektronischen und optischen Methoden in der Tat mit einigen wenigen Atomen Ströme ein- und ausschalten kann. Damit liessen sich dann die physikalischen Grenzen weiter reduzieren. Solche Technologien stehen noch ganz am Anfang, aber die Aussichten sind gut, dass diese und andere Technologien die bestehende Chip-Technologie ergänzen oder gar ablösen werden. Im Übrigen arbeitet man in der Forschung an der dreidimensionalen Integration von Bausteinen, oder neuen Rechenkonzepten, die ähnlich funktionieren wie unser Hirn.
Nicht zuletzt öffnen neue Technologien auch bei der Produktion der Chips von morgen neue Türen. Die Schweiz sollte sich die Chance, hier an vorderster Front dabei sein zu können, nicht entgehen lassen.
Mit bestem Dank an Prof. Mathieu Luisier und Prof. Jürg Leuthold von der ETH Zürich für ihren wertvollen Input.