Wie steht es um die Anpassung von Quantencomputern für die Anwendung im militärischen Bereich oder im Alltag und wie ist die Prognose für diese Technologie?
Nemanja Radivojevic
Joël Mesot: Das Wettrennen um die Entwicklung von Quantencomputern ist weltweit in vollem Gange. Und so sind diese «Superrechner» mehr und mehr in den Schlagzeilen. Dabei kommt oft etwas zu kurz, wie neuartig diese Technologie ist. Quantencomputer sind nicht die neuste Generation jener Computer, die wir täglich nutzen – sei es in unseren Smartphones oder in der Form von verarbeiteten Daten, die aus Rechenzentren zu uns kommen. Quantencomputern liegen fundamental andere Funktionsprinzipien zugrunde.
Dass die Gesetze der Quantenphysik eine grundlegend neue Art von Rechnen ermöglichen, wurde erst vor rund vierzig Jahren erkannt. Seither war und ist der Fortschritt atemberaubend. Und doch ist das Quantencomputing noch ein junges Feld. Der Stand heute ist vergleichbar mit dem der Luftfahrt 1903. In dem Jahr haben die Gebrüder Wright erste Motorflüge durchgeführt. Oder eher «Hüpfer», die weniger lang als eine Minute dauerten. Ihre waghalsigen Freiluftexperimente waren zwar noch nicht von praktischem Nutzen, aber dennoch enorm wichtig, um das Grundprinzip in der Praxis zu demonstrieren.
Auch die heutigen Quantencomputer sind im Wesentlichen immer noch Prototypen, mit denen die volle Leistungsfähigkeit ausgelotet wird. Aber Anwendungen rücken näher. Zukünftige Quantencomputer werden für spezielle Aufgaben Lösungen bieten können, bei denen herkömmliche Rechner an den Anschlag kommen. Man arbeitet an Konzepten, die uns helfen können, Wege zu finden, wie man CO2 effizienter aus der Atmosphäre entfernt, aber auch, um Finanzdienstleistungen zu optimieren. Schweizer Hochschulen spielen an vorderster Front mit. Erst kürzlich haben Forschende der ETH Zürich einen Durchbruch bei der Fehlerkorrektur in Quantenprozessoren vermeldet.
Quantencomputer sind nur eine von mehreren Technologien, in denen Quanteneffekte gezielt genutzt werden. Sogenannte Quantensimulatoren ermöglichen, Materialien mit neuartigen elektronischen Eigenschaften zu entwerfen. Quantensensoren können die Auflösung von Mikroskopen verbessern. Und Quantenkryptografie wird bereits für die abhörsichere Kommunikation von Daten eingesetzt. Pionierarbeit hat hier die Firma ID Quantique geleistet, ein Spin-off der Universität Genf. Mit Zurich Instruments hat sich ein Spin-off der ETH im Bereich der Messtechnik für Quantencomputer etabliert.
Bei der weiteren Entwicklung von Quantentechnologien wird es unvermeidbar sein, dass sie nicht nur für zivile Zwecke genutzt werden. So wie ein Rega-Helikopter Menschenleben retten kann, so kann ein Kampfhelikopter Menschen töten. Sollen wir deshalb Fluggeräte verbieten? Ich meine nein. Vielmehr müssen wir alles daransetzen, dass neue Technologien möglichst vielen zugutekommen und uns bei der Lösung globaler Herausforderungen helfen.
Der Weg dorthin geht über interdisziplinäre Forschung und Kooperation über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Weil Quantentechnologien so neuartig sind, brauchen wir nicht nur die entsprechende Hardware, sondern auch Schnittstellen zu herkömmlicher Elektronik, neue Programmiersprachen und so weiter. Dies sind alles Aspekte, an denen in der Schweiz, aber auch in den USA, in Asien und in Europa geforscht wird. Es ist von grosser Bedeutung für die Schweiz, bei diesen Schlüsseltechnologien mit unseren europäischen Nachbarn zusammenzuarbeiten.