Professor Hengartner erklärt
Impfen? Impfen!

Michael Hengartner ist Präsident des ETH-Rats – und damit so etwas wie der Chef-Forscher der Schweiz. In seiner Kolumne erklärt er Wissenswertes aus der Wissenschaft. Diese Woche: Wie mRNA-Impfung funktioniert.
Publiziert: 18.01.2021 um 07:11 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2021 um 14:56 Uhr
Michael Hengartner (53) ist Präsident des ETH-Rats und Kolumnist im SonntagsBlick Magazin. Zuvor war der Biochemiker Rektor der Universität Zürich.
Foto: Nathalie Taiana
Michael Hengartner

Endlich ist die Corona-Impfung da! An vielen Orten in der Schweiz wird bereits geimpft, und bis im Sommer soll uns die Impfung den Kampf gegen Corona wesentlich erleichtern. Viele Leute haben aber Zweifel. Soll ich? Ist das sicher? Oder gehe ich damit ein Risiko ein? Diese Fragen sind verständlich – vor allem, wenn man nicht so genau weiss, wie die Impfung funktioniert.

Bei Impfungen geht es eigentlich immer um dasselbe: Man trainiert das Immunsystem, einen «Fremdling» erfolgreich zu bekämpfen. Impfungen erwirken das Gleiche wie Fahr-, Ski- oder Kochschulen: Wir lernen unter vereinfachten Bedingungen und werden so fit für den Ernstfall.

Bei den zwei zurzeit in der Schweiz zugelassenen Impfstoffen werden keine Viren gespritzt, sondern bloss Botenstoffe – sogenannte mRNA. Solche mRNA verwendet unser Körper die ganze Zeit. Sie transportieren nämlich Baupläne für Proteine. Diese Pläne sagen unseren Zellen, wovon sie wie viel produzieren sollen. Die Impf-mRNA enthält den Bauplan für einen kleinen Teil des Virus, und zwar für die «Spike»-Proteine (die «Zacken» auf der Oberfläche des Virus). Die bei der Impfung gespritzte mRNA gelangt also in unsere Zellen, und diese beginnen, Spikes herzustellen. Darauf reagiert aber unser Immunsystem! Es merkt, dass da fremde Proteine gebaut werden, und beginnt sie zu bekämpfen.

Dabei probiert es am Anfang alles Mögliche aus und schickt viele verschiedene Antikörper und Abwehrzellen gegen die Eindringlinge los. Dadurch kann es vorkommen, dass man sich zum Beispiel fiebrig oder müde fühlt. Das sind aber keine «unerwünschten Nebenwirkungen» oder «Fehler im System» – im Gegenteil! Es sind einfach Anzeichen, dass unser Immunsystem gerade auf Hochtouren arbeitet. Ähnlich geht es uns ja auch in der Anfangsphase einer herkömmlichen Infektion.

Mit der Zeit merkt unser Immunsystem, welche Antikörper am besten gegen die Spikes wirken. Die Immunzellen, die diese Antikörper bilden, werden dann für die Zukunft aufbewahrt. Kommen wir später einmal mit dem echten Virus in Kontakt, erkennt das Immunsystem die Spikes und mobilisiert diese Zellen, die dann subito die passenden Antikörper bilden. So werden wir den Eindringling schnell wieder los. Normalerweise merken wir nicht einmal etwas davon.

Was bei der Impfung sicher nicht passieren kann, ist, dass man am Virus selbst erkrankt. Denn es werden keine ganzen Viren produziert. In unserem Körper befindet sich nur der Bauplan für die Spikes auf der Oberfläche des Virus. Und das nur für eine kurze Zeit, denn mRNA werden relativ schnell abgebaut.

Impfungen haben uns von schweren Infektionskrankheiten wie Pocken, Masern, Starrkrampf, Polio oder Diphterie ganz oder weitgehend befreit. Dank Impfungen wurde das Pockenvirus sogar weltweit eliminiert. Beim Poliovirus sind wir ganz nah an diesem Ziel. Dank der Impfung können wir nun auch das Coronavirus in den Griff kriegen. Meine Frau und ich werden uns impfen lassen, sobald wir können. Ich hoffe, Sie auch!

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