Fragt man die Betroffenen nach ihren Beweggründen, stellen sie die Sache gern so dar, als hätten ihre Lebensumstände ihnen keine andere Wahl gelassen. Als wäre ihr Verhalten eine zwar nicht gerade löbliche, aber letztlich natürliche Reaktion. Stolz darauf sind sie nicht – ein besonders schlechtes Gewissen haben sie allerdings auch nicht.
Die Ursache ist weniger in der Kaltherzigkeit zu suchen als vielmehr in der Entfremdung. Affären erfordern eine ausgeprägte innere Bereitschaft, und die wiederum entsteht nur, wenn die aktuelle Beziehung nicht mehr ausreichend Bindungskraft besitzt (oder sie gar nie besass). Auf dem Mond kann man schliesslich auch erst landen, wenn man sich weit genug von der Erde und deren Anziehung entfernt hat.
Das gälte es anzusprechen, und zwar bei der ersten Wahrnehmung. Zum Beispiel so: «Du, ich habe das Gefühl, dass wir uns voneinander distanziert haben.» Und dann müsste man miteinander darüber reden, wie es dazu kommen konnte und was man dagegen unternehmen könnte. Das ist kein einfaches Gespräch, gewiss – es aber nicht zu führen, verschlimmert das Problem mit jedem Tag, und schon bald lebt man nur noch nebeneinanderher, vermisst die Nähe und die Wärme und ist irgendwann überzeugt, beides nur anderswo bekommen zu können.
Es gehen so viele Menschen fremd, weil so viele Menschen solche Mühe haben, offen zu kommunizieren, und solche Angst vor den Konsequenzen der Ehrlichkeit. Aber auch, weil so viele Menschen Beziehungen führen, die sie aufgrund der Inkompatibilität eigentlich gar nicht führen sollten. All das ist aber keine Entschuldigung dafür, den einfachsten Weg zu gehen und seinen Partner oder seine Partnerin zu betrügen. Man ist diesem Menschen und sich selbst mehr schuldig. Und weiss das in seinem Herzen auch.