Kolumne «Wild im Herzen» über die Kopflaus
Warum die Welt ohne Läuse nicht besser wäre

Zumindest wer Kinder hat, kennt sie bestimmt: die Kopflaus. Etwas darüber zu hören oder zu lesen, löst automatisch Juckreiz aus. Aber wie man sich denken kann, hat die Laus auch ihr Gutes.
Publiziert: 05.11.2021 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2021 um 20:38 Uhr
Die Kopflaus (Pediculus humanus capitis)
Foto: Shutterstock
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Simon JäggiSänger der Rockband Kummerbuben

Alle Jahre wieder meldet die Kita einen Läusebefall. Selten kommt uns ein Tier so nahe wie die Laus – Eltern können ein Lied davon singen. Aber was wissen wir biologisch überhaupt über die Tierart, die alle kennen und niemand mag?

Erst mal müssen wir klären, von welcher Art wir überhaupt reden. Es gibt nämlich Kopfläuse und Kleiderläuse, inzwischen geht die Wissenschaft davon aus, dass es sich dabei um zwei Arten handelt.
Beide sind Parasiten, die sich von unserem Blut ernähren. Der Befall mit Kleiderläusen ist seltener. Die Übertragung kann, wie es der Name sagt, tatsächlich über Kleider erfolgen – oder über Nackenstützen im öffentlichen Verkehr. Kopfläuse dagegen übertragen sich selten über Textilien, entgegen der landläufigen Annahme. Sie müssen nämlich alle zwei bis vier Stunden Blut zu sich nehmen. Länger als einen Tag überleben sie nicht ohne ihren Wirt, also uns Menschen.

Mädchen bekommen eher Kopfläuse als Buben

Kopfläuse hangeln sich meistens von Haar zu Haar, um einen neuen Wirt zu finden. Dabei hat die Wissenschaft herausgefunden, dass Kinder häufiger als Erwachsene und Mädchen häufiger als Buben von Kopfläusen befallen werden. Das soll nichts mit der Länge der Haare zu tun haben, sondern mit dem Verhalten: Besonders Mädchen pflegen offenbar engeren Kontakt miteinander.

Die Vorfahren der Kopflaus entwickelten sich bereits zur Zeit der Dinosaurier – und rückten den ersten Säugern auf den Pelz. Inzwischen hat sie sich dem Menschen optimal angepasst und überlebt ausschliesslich an unserer Seite. Die Anpassung geht so weit, dass die Läuse in Breitengraden mit einer mehrheitlich weissen Bevölkerung heller sind, in Gegenden mit mehr farbigen Menschen eher dunkler.

Läuse machen uns robuster

Als Parasiten leben Läuse auf unsere Kosten und können auch Krankheiten übertragen, in Europa stellt dies aber kaum ein Problem dar. Wäre die Welt also eine bessere, wenn wir Kopfläuse ausrotten würden?

Die Antwort lautet wohl überraschend: eher nein. Es fällt nämlich auf, dass Allergien und andere Immunkrankheiten immer mehr zunehmen. Gleichzeitig gelingt es der Medizin, Parasiten immer effektiver zu bekämpfen. Die Wissenschaft sieht da einen Zusammenhang: Die verhassten Läuse und andere Plagegeister fordern unser Immunsystem heraus und machen uns robuster.

Simon Jäggi (41) ist Sänger der Rockband Kummerbuben und arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern.

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