Corona hat der Hobbyfischerei neuen Auftrieb gegeben: Im letzten Jahr stellte etwa der Kanton Bern so viele Patente aus wie letztmals in den 1980ern. Wer regelmässig ans Wasser gehen möchte, muss einen Kurs besuchen – der Sachkundenachweis ist so etwas wie die Autoprüfung für angehende Fischende. Dort lernt man nicht nur die verschiedenen Fischarten kennen, uns hat der Kursleiter auch eingebläut, dass man am 1. Mai nicht heiraten sollte. Der 1. Mai ist nicht nur fürs Proletariat ein heiliger Tag, an vielen Orten markiert er auch die Eröffnung der Hechtsaison.
Nächste Woche werden an den Gewässern die Fischerinnen und Fischer stehen und ihre Köder werfen, viel werfen. Der Hecht trägt im Lateinischen den wohlklingenden Namen Esox lucius – und ist ein launiger Kerl. Wer einen Hecht fangen möchte, muss Stunden, Tage oder gar Wochen investieren. Manchmal scheinen Gewässer wie ausgestorben, dann wiederum gibt es Momente, da der Jäger sich auf alles zu stürzen scheint, was ihm vors Maul kommt.
Der Hecht ist ein Standfisch, seine Reviere befinden sich oft nahe am Ufer. Gerne hält er sich in Wasserpflanzen oder unter Bäumen auf. Aus der Deckung schiesst er auf seine Beute zu. Dazu gehören etwa Weissfische, aber auch eigene Artgenossen, daher lässt sich der Hecht nicht in Zuchten aufziehen. Aber auch junge Wasservögel gehören in sein Beuteschema. Sein eleganter, länglicher Körper ist ganz darauf ausgerichtet, aus dem Stand heraus zu beschleunigen. Hechte können 40 km/h erreichen, das Tempo allerdings nur kurz halten.
«Wild im Herzen» von Simon Jäggi
Weibchen legen Fresshemmung ab
Bei Hechten gelten die Weibchen als das starke Geschlecht, die sogenannten Rogner können 1,3 bis 1,5 Meter lang werden. Die Männchen, Milchner genannt, werden bis 90 Zentimeter lang. In diesen Tagen beenden die Hechte ihr Laichgeschäft. In der kalten Jahreszeit hatten die Milchner in den Revieren der Weibchen ihre ruppigen Kämpfe ausgefochten. Nur einem Männchen steht die Ehre zu, die Zehntausenden Eier zu befruchten. Während der Laichzeit weisen die Rogner eine Fresshemmung auf, damit sie ihre Liebhaber nicht auffressen. Allerdings legen sie die Hemmung relativ rasch wieder ab – was dazu führen kann, dass der Milchner sein kurzes Paarungsglück mit dem Leben bezahlt.
Simon Jäggi (41) ist Sänger der Rockband Kummerbuben und arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.