Wer nach seinem Tod seine Organe nicht spenden will, muss dies zu Lebzeiten explizit äussern. Der Nationalrat ist im Grundsatz für die sogenannte erweiterte Widerspruchslösung. (Themenbild)

Kolumne von Giuseppe Gracia
Wem gehört mein Körper?

Eine Volksinitiative will bei der Organspende die Widerspruchslösung verankern. Das darf nicht sein.
Publiziert: 10.05.2021 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2021 um 06:29 Uhr
Giuseppe Gracia, Schriftsteller.
Giuseppe Gracia

Das Transplantationsgesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, verstorbenen Personen Organe, Gewebe oder Zellen zu entnehmen. Bisher darf das in der Schweiz nur mit dem Einverständnis des Betroffenen geschehen (Zustimmungslösung).

Eine Volksinitiative soll dies nun ändern («Organspende-Initiative»). Angestrebt wird ein Systemwechsel mit der sogenannten Widerspruchslösung. Das bedeutet: Der Staat darf grundsätzlich auf meine Organe zugreifen, ausser ich lege Widerspruch ein. Wenn ich schweige, gilt das als Zustimmung.

An sich ist Organspende etwas Christliches: Wenn ich sterbe, spende ich meine Organe einem anderen Menschen und rette damit Leben.

Menschen als Ersatzteillager

Organe sind allerdings auch ein lukratives Geschäft. Dieses birgt die Gefahr, dass wir sterbende Menschen zum Ersatzteillager degradieren.

Bei der Organspende müssen wir also genau hinschauen. Der Wunsch des Einzelnen, Leben zu retten, steht der Dynamik eines medizinisch-technischen Fortschritts gegenüber, mit dem sich Millionen verdienen lassen.

Neben diesen ökonomischen Interessen, die den Sterbeprozess zu kommerzialisieren drohen, bringt die Widerspruchslösung noch eine weitere Gefahr. Der Staat würde damit prinzipiell zur Verfügungsinstanz über meine Organe. Wenn ich mich nicht schriftlich dagegen wehre, gehört mein Körper automatisch der Notfallmedizin und nicht mehr mir.

Grundrechte gelten immer

Das erinnert an den US-Thriller «Red Sparrow» (2018) über russische Spioninnen. Diese werden ausgebildet, um für die hohen Ziele des Staates ihre Körper zu opfern. «Your body belongs to the state» («Dein Körper gehört dem Staat»), sagt die Ausbildungschefin im Film.

In einer freiheitlichen Gesellschaft darf so etwas nicht sein. Jeder Mensch ist Besitzer seines Körpers, und der Staat hat in keiner Weise ein Recht darauf. Organe spenden zu wollen, bedeutet: Ich entscheide mich auf den Verzicht eines Teils meines Körpers, der grundsätzlich jederzeit mir gehört, auch dann, wenn ich keine Meinung dazu habe. Wie bei den Grundrechten, die immer gelten, auch wenn ich ein Leben lang dazu schweige.

Giuseppe Gracia (53) ist Schriftsteller und Kommunikationsberater. Sein neuer Roman «Der letzte Feind» ist erschienen im Fontis Verlag, Basel. Seine Blick-Kolumne erscheint jeden zweiten Montag.

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