Vielleicht war es dieser unverhoffte Frühlingseinbruch vergangene Woche, vielleicht war es aber auch einfach dieser magische Moment, der zwischen Begehren und Besitzenwollen entscheidet: Ich habe mir ein Paar Sandalen geleistet, die ich vermutlich frühestens in zwei Monaten tragen kann.
Als Erklärung kann ich bieten: Das Modell erinnert stark an meine Lieblinge von vor etwa fünf Jahren. Damals hatte ich die Plateau-Schuhe am Ende eines langen Sommers im Ausverkauf ergattert, in einem exklusiven Kleiderladen an Zürichs Bahnhofstrasse. Ich trug sie bis lang in den Oktober hinein. Eine damals trendige Lösung, die warme Jahreszeit unendlich zu verlängern, indem man Sandalen mit Strümpfen kombinierte, machte ich allerdings nicht mit. Meine Generation verbindet mit diesem Look für alle Zeiten genau jene Berufsgattung, die auch einem spiessigen Bart-Typ zu seinem Namen verhalf: die Sportlehrer.
Im vorletzten Herbst hatte ich mich endgültig von den Sandalen verabschieden müssen, alles Suchen im Internet half nichts, das Modell wurde nicht mehr hergestellt. Woraus sich schliessen liess, dass es nicht so erfolgreich war, wie ich in meiner persönlichen Begeisterung angenommen hatte. Denn das moderne Mode- und Vertriebsmarketing macht nichts anderes, als unser Kaufverhalten zu analysieren: Algorithmen werten Kollektionen unter kommerziellen Gesichtspunkten aus und entscheiden, was die Designerinnen und Designer – leicht abgewandelt vielleicht – in der nächsten Saison wieder anbieten.
Weiss wie der Sommer
Dieses Schicksal hat nun mit Verspätung auch meine Sandalen ereilt: Sie sind wieder da! Diesmal in Weiss, weil im kommenden Sommer jeder Look mit dieser Un-Farbe gekrönt wird. Wir werden eierschalenfarbene Strickjacken zu geblümten Hippiekleidern tragen, kalkweisse Krankenschwestern-Birkenstocks zu extraweiten Hochwasser-Jeans, Smoking-Blazer in Off-White und kreidebleiche Boyfriend-Sweatshirts.
Auch in meinem Schrank freuen sich verschiedene Hosen und Jupes auf ihre neuen Begleiter. Nicht alle erinnern sich noch an die flaschengrünen Vorgänger, die jetzt ohnehin wie von gestern wirken würden. Nur ein Kleidungsstück hat keine Chance – meine Lieblings-Jeans. Es entstünde ein Look, der allein auf einem Standesamt erlaubt ist: ganz in Weiss.
Lisa Feldmann (62) hat sich schon als Chefredaktorin der Zeitschrift «Annabelle» über die tiefere Bedeutung unserer alltäglichen Lifestyleprodukte Gedanken gemacht. Heute liest man darüber jeden zweiten Samstag hier und auf Instagram unter feldmanntrommelt. Zu hören ist sie im BLICK-Podcast «Bikini».