Kolumne «Alles wird gut» über überwältigende Gefühle
Die zu kleine Welt der Psychologie

Der Blick in den Sternenhimmel … oder auch nur in den Fernseher, der Dokumentarfilme über unseren Planeten zeigt: Er lässt uns das Erhabene spüren. Dinge, die grösser sind als wir, im Guten wie im Schlechten.
Publiziert: 26.07.2021 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2021 um 19:46 Uhr
Ursula von Arx
Foto: Thomas Buchwalder
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Die steile Küste, der Meerlavendel, das Wasser, das kurz zuschlägt und lange wegfliesst, weit hinter die schwimmenden Köpfe, bis es den ganzen Himmel bedeckt, mit ihm zerfliesst.

Oder Sie, mit dem Velo unterwegs. Sie fahren fünf Kilometer, zehn, fünfzehn, fahren und fahren, und es ändert sich: nichts. Noch immer, immer noch, befinden Sie sich in dieser leeren Ebene, der niedrige Horizont folgt Ihnen, bei jedem Tritt in die Pedale folgt er Ihnen, ein Ende ist nicht in Sicht, schon ist es Nacht geworden, der Himmel ist jetzt voller Sterne, und Sie, Sie fühlen sich gefoltert und beglückt, von der unendlichen Weite.

Scheu, Schock und Schrecken

Aber Sie müssen sich nicht notwendigerweise bewegen, nicht mal in den Ferien. Sie können dieses rare und aufwühlende Gefühl auch vor dem Bildschirm erfahren: Schauen Sie sich die Berg-, Wasser-, Wüsten-, Dschungel-, Eis-, Gras- und Tiefseewelten der BBC-Serie «Planet Erde» an, und Sie werden davon heimgesucht werden, heimgesucht vom Erhabenen.

Es verweist uns in unsere Schranken, erfüllt uns mit Schönheit und Ehrfurcht. Oh, es gibt Dinge, die grösser sind als wir, im Guten wie im Schlechten, überwältigende Schöpfungswucht, überwältigende Zerstörungswut, Scheu, Schock und Schrecken.

Philosophen haben sich seit der Antike mit dem Erhabenen beschäftigt und neuerdings auch Psychologen wie Paul Piff. Er hebt die Nützlichkeit des Gefühls hervor: Es hole das Beste aus uns heraus. Wir seien weniger egoistisch und hilfsbereiter gegenüber unseren Mitmenschen, auch stärke es unser Immunsystem und unsere Kreativität, wenn eine Ahnung unserer eigenen Mickrigkeit in uns nachhalle im Angesicht der Naturgewalten.

Das gefährliche Universum

Für den Psychologen wird auch das Erhabene zu einer Annehmlichkeit, die uns guttut wie frische Luft, ein Schaumbad oder eine Umarmung.

Aber bitte, so mickrig sind wir dann auch wieder nicht, dass wir das Unzähmbare zähmen wollten und einbinden in unser Zweckdenken. Nein. Immanuel Kant hatte recht: Der bestirnte Himmel über uns ist kein Tranquilizer. Er ist in seiner Unendlichkeit nur zu vergleichen mit der Unendlichkeit des moralischen Gesetzes in uns.

Das Universum ist ein gefährlicher Ort. Denn gewaltig ist die Natur und gewaltig sind die Menschen. Alles wird gut.

Ursula von Arx denkt nicht gern in grossen Kategorien. Aber der Klimawandel zwingt sie immer öfter dazu. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.


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