Kolumne «Alles wird gut» über Freiheit und Rücksichtslosigkeit
Wir sind so frei

Angeblich ist unsere Freiheit überall gefährdet. Aber um welche Freiheit geht es beim Kampf gegen Corona-Massnahmen? Und um welche, wenn man darauf besteht, übers Wochenende nach New York fliegen zu können?
Publiziert: 18.10.2021 um 00:30 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2021 um 15:56 Uhr
Corona-Demo in Nünrberg.
Foto: DUKAS
Ursula von Arx

Freiheit wäre so süss. Wenn nur nicht der Kampf um sie so bitter geführt würde.

Wie Quidditch-Bälle fliegen einem die Kampfbegriffe der Covid-19-Gegner um die Ohren: «Impfzwang», «Entrechtung», «totale Überwachung». Manche sehen ihre «körperliche Unversehrtheit» verletzt. Das «Ende der freien Schweiz» sei da, «die Freiheit in Gefahr», mindestens.

Das Gefühl, unsere Freiheit sei arg gefährdet, ist weitverbreitet. Neben den wegen Covid geöffneten Notrechtsschleusen setzen ihr angeblich auch Klimaschutzvorschriften und Klimaschutzverbote, Quoten, Vorgaben für geschlechtergerechtes Sprechen und die «Cancel Culture» zu.

Dagegen wird derzeit viel scharfes rhetorisches Geschütz aufgefahren.

Ich will andere anniesen können

Aber ist die Freiheit wirklich gefährdet? Und wenn ja, welche? Bedeutet Meinungsfreiheit das Recht, andere zu verletzen? Ihnen die Anerkennung zu verweigern? Kämpfen Quotenverächter für die Freiheit, die Beteiligungschancen anderer systematisch kleinzuhalten? Welche Freiheit verteidigen Corona-Leugner? Die Freiheit, persönlichen Illusionen nachzuhängen und eine unangenehme Realität verdrängen zu können? Die Freiheit, sich und andere anzustecken? Und worin besteht die Freiheit der Maskenverweigerer? Andere anzuniesen?

Was die Freiheit der Impfgegnerin betrifft: Sie ist intakt. Niemand steht unter dem Zwang, sich impfen zu lassen. Doch wer sich gegen eine Impfung entscheidet und auch keinen Test bezahlen möchte, muss es akzeptieren, wenn die Geimpften ihre Feste ohne ihn feiern und ohne Maske und mit Zertifikat. Die Geimpften bezahlen ohnehin schon genug für die Freiheit der Ungeimpften. Denn wären wir alle geimpft, könnten wir längst Masken und Zertifikate fallen lassen.

Fliegen, fischen, Freiheit!

Auch die Freiheit, für ein Wochenende nach New York zu fliegen oder die Meere leer zu fischen, ist eine Freiheit, die auf Kosten von anderem und anderer geht. Sie hat sich im Glauben eingerichtet, dass einem zusteht, was man bezahlen kann. Sie nimmt sich das Recht, sich um die Folgen oder Bedingungen einer Handlung nicht zu kümmern, solange dies nicht alle tun. Eigenverantwortung? Sollen die anderen doch damit anfangen.

Wo liegt der Unterschied zwischen diesen Formen von Freiheit und Rücksichtslosigkeit? Lügt nicht einfach, wer hierzulande nach Freiheit ruft? Alles wird gut.

Ursula von Arx schätzt ihre Freiheit sehr. Für problematisch hält sie in Zeiten der Pandemie aber eher, dass die Freude zuweilen zu kurz kommt. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.


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