Ihr Ex-Mann verfolgt eine populäre Taktik: Indem er nicht über die Trennung spricht, muss er sich nicht mit den damit verbundenen Gefühlen auseinandersetzen; weder mit Ihren noch mit seinen. Opfer von sexualisierter Gewalt und anderen traumatisierenden Erfahrungen gehen oft auch so vor: Sie schweigen, weil sie das schmerzhafte Erlebnis einfach nur hinter sich lassen wollen, und darüber zu sprechen, wäre genau das Gegenteil.
Diese Haltung ist nachvollziehbar, aber sie funktioniert nicht. Es gibt in diesem Zusammenhang den englischen Begriff «to bottle something up», also etwas in einer Flasche verschliessen, und genau das passiert, wenn man nicht über seinen Schmerz spricht, sondern in sich vergräbt: Er ist dann immer noch da, kann aber nicht raus und schwärt im Verborgenen vor sich hin, wo er unser Denken und Handeln negativ beeinflusst.
Darunter leiden auch andere, wie Sie im vorliegenden Fall: Ihr Ex-Partner verweigert ein klärendes Gespräch, und Sie sitzen da mit lauter unausgesprochenen Emotionen, die in der Folge genauso «bottled up» sind wie jene Ihres Ex-Mannes und Sie genauso quälen. Die gute Nachricht ist aber: Sie brauchen ihn nicht für dieses Gespräch. Stellen Sie sich einfach vor, er stünde lebhaft vor Ihnen, und werfen Sie ihm alles an den Kopf, was Sie belastet.
Besser noch: Indem er nicht da ist, kann er nicht widersprechen, und Sie brauchen keinerlei Rücksicht zu nehmen auf seine Gefühle! Sie können ihn anschreien und beleidigen, bis Sie heiser sind und Ihnen nichts mehr einfällt, weil alles draussen ist. Gehen Sie in den Wald, fahren Sie mit dem Auto durch die Gegend und sagen Sie alles, was gesagt werden muss. Nur weil Ihr Mann den Kopf in den Sand steckt, brauchen Sie das nicht auch zu tun. Sie verleihen ihm sonst die Macht über Ihre Emotionen.