Eine Frage des Klimas
Die Hauptsorge des Schweizer Volks?

Sonia Seneviratne (48) ist ETH-Professorin für Land-Klima-Dynamik – und gilt als eine der einflussreichsten Schweizer Wissenschaftlerinnen. Heute geht sie der Frage nach, wie wir von Erdöl, Gas und Kohle wegkommen.
Publiziert: 04.02.2023 um 12:56 Uhr
Credit Suisse Sorgenbarometer 2022
Sonia I. Seneviratne

Die Bevölkerung sorgt sich wegen Umweltschutz und Klimawandel. Das behauptet nicht etwa das WWF oder Greenpeace, sondern der aktuelle «Sorgenbarometer» von Credit Suisse.

Das ist auch rational, denn die Klimakrise verschlimmert sich Jahr für Jahr, und der Fortschritt in der Politik ist zu langsam. Die jährliche Klimakonferenz der Uno fand dieses Jahr an einem Badeort in Ägypten statt. Die zweitgrösste Delegation am Anlass bestand aus Öl-Lobbyisten – nach derjenigen des nächsten Gastgeberlandes, der Vereinigten Arabischen Emirate. Wenig überraschend wurden dort keine Fortschritte erzielt, um die weltweiten CO2-Emissionen zu reduzieren.

Was kann die Schweiz tun?

Die Schweiz kann sehr viel tun. Ja, wir sind ein kleines Land, aber wir können viel bewirken. Hat Henri Dunant, der Genfer Gründer des Roten Kreuzes, sich gesagt: «Ich mache lieber nichts, eine Einzelperson kann ja nichts bewirken»?

Basel-Stadt hat im November einen neuen Weg aufgezeigt. Der Halbkanton hat ein Ziel: bis 2037 klimaneutral werden. Ein solches Ziel ist konsistent mit einer Stabilisierung der globalen Erwärmung auf
1,5 °C, das Limit, das sich die Schweiz und die meisten Länder der Welt im Pariser Abkommen gesetzt haben.

Auch der Kanton Glarus ist ein Vorreiter im Bereich Klimaschutz: Beim Neubau und Ersatz von Heizungen sind seit dem 1. Januar Erdöl- und Gasheizungen verboten. Und dies, obwohl der Kanton einige Monate davor Nein zum CO2-Gesetz gestimmt hatte. In der Zwischenzeit gab es in der Zentralschweiz Hochwasser als Folge von Starkniederschlägen. Ereignisse, die mit der zunehmenden globalen Erwärmung häufiger auftreten und intensiver werden.

Kampf gegen die Öl-Lobby: David gegen Goliath

Dass der Kampf für Klimaschutz ein ungleicher Kampf ist, ist unbestritten. Der grosse Goliath ist die Öl-Lobby. Der US-amerikanische Mineralölkonzern Exxon hat gerade Rekordprofite erzielt. Es ist die Firma, die schon 1980 genau wusste, was die Konsequenzen des Erdöl-Geschäfts für das globale Klima sein werden. Eine kürzliche erschienene Studie hat gezeigt, dass die eigenen Wissenschaftler von Exxon Anfang der Achtzigerjahre in der Lage waren, die genaue Entwicklung der globalen Temperatur bis 2020 vorherzusagen. Die Firma versuchte danach aber ständig Zweifel an der Wirklichkeit des Klimawandels und dem Beitrag von fossilen Brennstoffen zu dieser Entwicklung zu schüren.

Die Antiklima-Lobby ist aber nicht nur in den USA tätig. Wie eine Reportage des Westschweizer Fernsehens letztes Jahr zeigte, reicht deren Einfluss bis in die Schweizer Politik. Avenergy (bis 2019 Erdöl-Vereinigung) und Swissoil hatten beispielsweise die Kampagne gegen das CO2-Gesetz 2021 mitfinanziert.

Angst in Aktion umwandeln

Angst kann lähmend wirken. Aber sie kann auch zum Handeln motivieren. Wir haben die Möglichkeit, von Erdöl, Gas und Kohle wegzukommen. Dafür sollten Benzinautos aus dem Verkehr genommen werden. Die EU hat ein Verbrennerverbot für 2035 beschlossen, die Schweiz könnte noch schneller vorangehen. Und neue Heizungen sollten weder mit Öl noch Gas betrieben werden. Das ist besser für das Klima und – wie die letzten Monate es leider gezeigt haben – auch für unsere Sicherheit.

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