Schön, wenn Sie sich am Freitag die erste Folge der SRF-Sendung «Reise mitohne Hindernis» anschauen! Moderator Nik Hartmann chauffiert sechs Menschen mit Downsyndrom durchs Berner Oberland. Er zeigt ihnen Land und Leute, lässt sie Holzkühe schnitzen. Und wirkt für kurze Augenblicke sogar genervt. 24 Stunden am Stück immer nur lustig sein und Verständnis zeigen, das schafft nicht einmal Herr Hartmann. Denn natürlich ist es anstrengend, so viele Leute ständig bei Laune zu halten – egal, ob diese nun eine Behinderung haben oder nicht.
Keine Frage: Nik Hartmanns Reisegefährten werden in «Reise mitohne Hindernis» nicht nur herum-, sondern ein Stück weit auch vorgeführt. Das Voyeuristische liegt im Wesen einer Unterhaltungssendung. Und doch erfüllt diese Spritztour durchs Schweizerland einen weiteren, höheren Zweck. Denn plötzlich dämmern dem Zuschauer Fragen wie die: Warum soll ich das TV-Gerät einschalten, um Menschen mit Behinderung zu sehen?
Wann ist mir das letzte Mal jemand mit kognitiver Beeinträchtigung beim Einkaufen begegnet? Und wie lange liegt es zurück, dass ich mit einem solchen Menschen einen Schwatz gehalten habe?
Da ist Damian Bright, früher Schauspieler beim Theater Hora und jetzt eben mit dem SRF-Team unterwegs. Der 28-Jährige denkt viel nach, er hat Humor und ist ein einfühlsamer Zuhörer. Wer ihn jetzt so im Fernsehen sieht, dem kommt womöglich Pablo Pineda in den Sinn. Der Spanier machte vor zehn Jahren weltweit Schlagzeilen, weil er trotz Downsyndrom einen Universitätsabschluss schaffte. Ist es wirklich ausgeschlossen, dass weit mehr Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung ein Leben führen können wie er?
Ist es vielleicht so, dass vielen Menschen mit Behinderung hierzulande einfach zu wenig zugetraut wird?
Wer mit Fachleuten spricht, bekommt diesen Eindruck bestätigt. Diese Experten sagen etwa: Weil die Umwelt häufig mit Unverständnis auf Menschen mit Behinderung reagiere, werde mancher Betroffene von seinen Angehörigen zu stark abgeschirmt und behütet. Und Institutionen für Menschen mit Behinderung sind nun einmal nicht darauf ausgerichtet, ihren Bewohnern ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Kein Heim sieht seine Existenzberechtigung darin, sich selbst überflüssig zu machen.
SRF schafft Verständnis für Menschen mit Behinderung. Das ist gut. Noch sehr viel besser ist, was die ARD tut.
In den Leitlinien der deutschen Fernsehanstalt steht: «Menschen mit Behinderung sollen vor und hinter der
Kamera, am Mikrofon und an anderen Arbeitsplätzen eingesetzt werden.» Tatsächlich ist beim ARD-Sender Hessischer Rundfunk jeder zehnte Mitarbeiter schwer behindert.
Auch Leute mit Downsyndrom sind für den Hessischen Rundfunk tätig. Leider zwar nicht am Mikrofon oder im Regieraum. Aber immerhin in der Betriebskantine.