In den kommenden Wochen wird sich der Bundesrat zum Rahmenabkommen mit der EU äussern. Die Nervosität ist gross, FDP, Mitte und SP droht eine hässliche Zerreissprobe.
Wie mein Kollege Reza Rafi im aktuellen SonntagsBlick berichtet, formieren sich jetzt die Befürworter des Vertrags. Die Gegner sind ihnen da mindestens einen Schritt voraus – ja, in der Person von Alfred Gantner gibt es inzwischen so etwas wie einen neuen Stern am Himmel der Europa-Skeptiker.
Der 52-Jährige ist Mitgründer der Partners Group, einer hochprofitablen Investmentgesellschaft mit Sitz im Kanton Zug. Er gilt als jovial und originell. Kürzlich schimpfte er im Interview mit der «NZZ» über den tiefen Zuger Steuersatz – seine Firma in den Berner Jura zu verlegen, wo er mehr zahlen dürfte, kommt ihm dann freilich nicht in den Sinn.
Für seinen Kampf gegen den Rahmenvertrag hat der Milliardär die Organisation Kompass/Europa auf die Beine gestellt. 1200 Mitglieder zählt der Verein nach eigenen Angaben, darunter viele Finanzmanager, aber auch Prominente wie Kurt Aeschbacher und Bernhard Russi.
Laut Kompass/Europa lässt sich der Rahmenvertrag mit dem politischen System der Schweiz nicht vereinbaren. «Zu gross ist aus souveränitätspolitischer Sicht das Opfer, das die Schweiz unter diesem Vertrag leisten müsste», heisst es auf der Website des Vereins. «Und zu klein sind die aussenwirtschaftlichen Vorteile, die unser Land dadurch erlangen könnte.»
Für die Partners Group spielt Europa in der Tat eine untergeordnete Rolle. Das Unternehmen steckt Kundengelder in Firmen auf dem ganzen Globus – von der australischen Windfarm übers Gaskraftwerk in Texas bis zur Abwasseraufbereitungsanlage in Kanada. Mehr Europa dagegen würde für die Partners Group letzten Endes vor allem eines bedeuten: eine strengere Finanzmarkt-Regulierung, eine stärkere Aufsicht und einen grösseren Zwang zur Transparenz bei den Geldflüssen.
Natürlich kann das einem Alfred Gantner nicht gefallen. Und es ist legitim, wenn er sich dagegen wehrt. Leider nur bekennt er sich nicht offen zu diesen Interessen. Stattdessen versteckt sich Kompass/Europa hinter salbungsvollen Allgemeinplätzen wie «weltoffene und aktive Aussenwirtschaftspolitik» und «respektvolle Beziehung auf Augenhöhe».
An dieser Stelle lohnt sich noch ein kurzer Blick darauf, was sich in den letzten Monaten zwischen der Schweiz und der EU sonst getan hat.
Zu Beginn der Pandemie koordinierte die EU eine historisch einmalige Rückholaktion für Europäer aus aller Welt, dank der auch Hunderte Schweizer den Weg zurück in die Heimat fanden. Zudem gewährt Brüssel dem Bundesamt für Gesundheit Zugang zu sämtlichen internen Informationen rund um Corona. Nicht zuletzt sorgte die EU-Kommission im letzten Frühjahr dafür, dass vom deutschen Zoll blockierte Schutzmasken doch noch in die Schweiz geliefert wurden.
Derzeit ist offen, wie das fertig ausgehandelte Rahmenabkommen und allfällige Begleitmassnahmen des Bundesrates aussehen werden. Wenn aber in den nächsten Wochen darüber diskutiert wird, ist es in jedem Fall ratsam, folgende Unterscheidung zu treffen: Was ist bloss Wortgeklingel und was beinhalten die Beziehungen der Schweiz zur EU wirklich?