Editorial
«Fricker beweist mit seinem Rücktritt Grösse»

Publiziert: 01.10.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:25 Uhr

Liebe Leserin, lieber Leser

Jonas Fricker hat mit seiner unrühmlichen Äusserung, in der er Holocaust-Opfer mit Schweinen gleichsetzte, in der SonntagsBlick-Redaktion eine hitzige Diskussion entfacht: Ist er ein Antisemit? Fehlt es dem Grünen-Nationalrat aus dem Aargau bloss dramatisch an Feingefühl? Oder ist er einfach naiv? Er sei angesichts des Schicksals der armen Mastviecher von Gefühlen überwältigt worden, entschuldigte sich der ETH-Absolvent.

Nun hat Fricker seinen Rücktritt angekündigt, und das ist gut so. Er setzt erstens dem pein­lichen Mäandrieren der Grünen-Spitze ein Ende. Er rettet zweitens die Glaubwürdigkeit seiner Partei, die jede Entgleisung der Gegenseite anprangert. Und drittens beweist er mit seiner Rücktrittserklärung Grösse.

«Meine Aussage kann antisemitisch oder menschenverachtend interpretiert werden», teilte Fricker gestern mit, «ich meinte es nicht so.» Das glauben wir ihm. Sein skandalöses Votum erinnert an ein bekanntes Muster: Das Leiden am Leiden der Tiere kann in Zynismus gegenüber Menschen umschlagen – bei der Tierrechts­organisation Peta zum Beispiel gehören KZ-Vergleiche längst zum Standard.

Geistiger Vater der radikalen Tierschützer ist der australische Ethiker Peter Singer (71). Sein Buch «Animal Liberation» ist ihre Bibel. Die moralischen Rechte eines Lebewesens, fordert er, sollen dessen Bewusstseinsgrad entsprechen – ein Delfin stünde damit besser da als ein ungeborenes Menschenkind. Schon der Begründer des modernen Tierschutzgedankens, Arthur ­Schopenhauer (1788–1860), galt überdies nicht als Menschenfreund.

Kein Zweifel: Die heutige Massentierhaltung gehört zu den schlimmsten Auswüchsen der Nahrungsmittelindustrie. Ihre Perversionen dürfen und müssen angeprangert werden. Aber wer Tiere zu Menschen erhöht, läuft Gefahr, den ­Menschen zum Tier zu ­erniedrigen.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Reza Rafi

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