In der römischen Antike prägte man meistens den Kopf des Kaisers auf die Denare und die Sesterze. Das war nicht immer so. In den Anfangszeiten zierten Tiere oder Gottheiten die Münzen. Die Abbildung von lebenden Menschen galt als Blasphemie. Ptolemaios I., der Nachfolger von Alexander dem Grossen, beendete diese Tradition und setzte sein Porträt auf den Goldstater.
Fortan war es üblich, dass Könige und Staatsoberhäupter ihr Konterfei auf Münzen und später auf Banknoten abbildeten. Auch der französische König Louis XVI. hatte sein markantes Gesicht auf Münzen prägen lassen. Als er 1791 als Kammerdiener verkleidet aus dem revolutionären Paris floh, endete seine Flucht in Varennes. Der Sohn des Postmeisters hatte ihn erkannt. Anhand der monströsen Nase auf den Münzen.
Auf der ersten schweizerischen Banknotenserie (1907) war auf allen vier Notenwerten das naheliegendste Motiv: die Helvetia. Die 6. Banknotenserie (1976) war historischen Persönlichkeiten gewidmet und mit der 9. Banknotenserie (2016) verzichtete man auf die Abbildung von Menschen. Es sollte nicht mehr die Vergangenheit thematisiert werden, sondern die Zukunft. Design statt Historie. Vielleicht wollte man unnötige Debatten vermeiden. Wer ziert die 1000-Franken-Note, wer die 10-Franken-Note?
Auch die EU hatte damals ein Problem. Es gab mehr Mitgliedstaaten als Wertnoten. Sollte man den Eiffelturm, das Kolosseum oder die Akropolis abbilden? Am Ende entschied man sich für fiktive Bauwerke.
Bald werden solche «Probleme» Geschichte sein. Die Europäische Zentralbank (EZB) erwägt die Einführung des digitalen Euro für 2026. Die Pandemie hat aus hygienischen Gründen bargeldloses Bezahlen gefördert. Bei Strommangellagen wird man Bargeld wieder mehr schätzen. Karte oder Cash? Es geht darum, dass die Bevölkerung die Wahl hat und entscheiden kann, wie viel Privatsphäre sie aufgeben will. Die EZB verspricht zwar Wahlfreiheit, aber von Jean-Claude Juncker, dem früheren Präsidenten der EU-Kommission, wissen wir: «Manchmal muss man lügen.»
Sobald der Detailhandel kein Bargeld mehr annimmt und Banken keins mehr ausgeben, haben wir keine Wahl mehr, und der Staat hat per Mausklick Zugriff auf die Sparguthaben der Bevölkerung.
Claude Cueni (67) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Soeben erschien sein Thriller «Dirty Talking».