Claude Cueni über das Textprogramm
Claude Cueni ist tot. Quelle: ChatGPT

Die KI ChatGPT verunsichert zur Zeit viele Schreiber. Kolumnist Claude Cueni testet das Programm aus und stellt fest, dass die Künstliche Intelligenz doch nicht so intelligent ist wie gedacht.
Publiziert: 12.05.2023 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2023 um 19:29 Uhr
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Claude CueniSchriftsteller

Gemäss ChatGPT bin ich 2016 gestorben. Da ich wider Erwarten noch am Leben bin, bat ich den Chatbot seine Antwort zu überprüfen (regenerate response). Drei Sekunden später kam die Entschuldigung, ich sei erst 2018 gestorben. Ich klickte erneut auf regenerate response, insgesamt zwölf Mal. ChatGPT sagte zwölf Mal Sorry und schrieb dann, ich sei im Jahre 2010 gestorben. Aber immer noch tot. Ich antwortete, dass es nicht möglich sei, dass Claude Cueni verstorben sei, ich hätte ihn kürzlich am Flughafen gesehen. ChatGPT wiederholte, ich sei definitiv am 7. August 2010 gestorben. Der Chatbot mutmasste, ich hätte am Flughafen eine Person gesehen, die Claude Cueni ähnelt.

Ich bat um Quellenangaben. Prompt kam eine Liste mit den Links zu einigen Medien, die über meinen Tod berichtet haben sollen, darunter «Tages-Anzeiger», Diogenes Verlag, Swiss Info («Author Cueni dies aged, 58»), NZZ («Der Schweizer Autor Claude Cueni ist tot»). Ich klickte alle Links an und erhielt nur leere Error-Seiten. Fakes über Fakes.

Der Chatbot verblüffte aber auch im positiven Sinne: Er konnte längere Texte schreiben, die inhaltlich und sprachlich nicht als KI-Produkt erkennbar waren. Ich bat um ein Liebesgedicht für meine Frau Dina und postete es auf Facebook. Einige fanden es «mitfühlend» und «wunderschön», andere beängstigend gut.

Werden wir in Zukunft noch Wahres von Unwahrem unterscheiden können? Wohl kaum. Egal, ob wir das gut oder schlecht finden: Die Weiterentwicklung ist nicht zu stoppen.

Stephen Hawking befürchtete bereits 2014, KI werde eines Tages fähig sein, sich selbst zu verbessern. Eine superintelligente Künstliche Intelligenz würde den Menschen verdrängen, weil sie keine Ethik kennt.

Ist ChatGPT lernfähig? Und wie! Ich tippte nach einer Woche nochmals meinen Namen ein. Die Antwort: «Da mein Wissen im September 2021 endet, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob Claude Cueni noch lebt. Bis zu diesem Zeitpunkt war er am Leben. Es wäre am besten, aktuelle Informationen aus einer verlässlichen Quelle, wie einer Nachrichtenagentur oder einer offiziellen Biografie, zu überprüfen.»

Gestern bin ich gemäss ChatGPT wieder 2010 gestorben. Offenbar lernt der Chatbot auch die Verbreitung von Fakes.

Claude Cueni (67) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Zuletzt erschien sein Thriller «Dirty Talking».

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