#aufbruch mit Patrizia Laeri
Die schweizerische No-Future-Politik

Mitten in der Krise ist es besonders wichtig, an die Zukunft zu denken. Andere Länder schnüren Konjunkturprogramme – doch ausgerechnet die Schweiz, die es sich leisten könnte, verharrt in alten Mustern.
Publiziert: 23.12.2020 um 09:39 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2021 um 21:30 Uhr
Patrizia Laeri, Kolumnistin.
Foto: Thomas Buchwalder
Patrizia Laeri

«Ich kaufe meinen Enkeln einen Computer und einen Kurs dazu», hat mir meine Mutter in diesem Jahr verkündet. «Viel zu teuer», habe ich abgewehrt. «Ich kaufe diese Maschine, auch wenn ich mich dafür verschulden müsste. Das ist eine Investition in die Zukunft», beharrte sie. Ich habe kurz gestutzt und mir dann gewünscht, dass wir in der Schweizer Politik auch mehr solcher Grossmütter hätten. Erschreckend viele Politiker weigern sich indessen, an die Zukunft nach Corona zu denken. Sie wiederholen nur stumpf, dass wir keine Investitionen in die Zukunft brauchen, sprich keine Konjunkturprogramme. Das ist bequem und denkfaul. Es ist auch eine Totalverweigerung, über den Tellerrand zu schauen und sich dem globalen Wettbewerb zu stellen.

Längst ist bewiesen, dass schlaues staatliches Investieren ein Land wirtschaftlich an die Weltspitze katapultieren kann. China hat dies innerhalb kürzester Zeit mit in demokratischen Augen zum Teil sehr fragwürdigen Methoden erreicht. Aber es gibt auch demokratisch hoch entwickelte asiatische Länder wie Japan und Südkorea, die staatlich innovativ investieren. Sie wurden weit weniger von Corona getroffen als die Schweiz und planen nun dennoch, viel staatliches Geld in die Zukunft zu stecken. Das höchstverschuldete Industrieland der Welt, Japan, will die Verwaltung und Wirtschaft digitalisieren und in grüne Technologien investieren. Noch grüner kurbelt Südkorea an und will auch Ausbildungszentren aufbauen, um Menschen für grüne Jobs fit zu machen. Die Länder wollen im globalen Wettbewerb vorne dabei sein.

Hoffnung und Perspektiven

Das will auch Europa. Die EU hat mit ihrem Green Deal ein Hoffnungsprojekt verabschiedet. Deutschland hat ein 130 Milliarden Euro schweres Klima-Konjunkturpaket geschnürt. Sogar Boris Johnson in Grossbritannien hat einen 10-Punkte-Plan für eine grüne industrielle Revolution. Wo sind die grossen Zukunftswürfe der Schweiz? Die Pläne? Die Visionen? Konjunkturprogramme wirken schliesslich auch psychologisch. Sie vermitteln Hoffnung und frische Perspektiven.

Wenn sich ein Land Zukunftsdenken leisten kann, dann wir. Die Schweiz hat in den letzten 15 Jahren die Schulden um 33 Milliarden abgebaut. Dank Negativzinsen verdienen wir am Schuldenmachen. Für jede Milliarde Schulden erhält die Schweiz Millionen dazu geschenkt. Ökonomen sind sich einig, dass Staaten gerade in Krisen viel investieren sollen – «antizyklisch» heisst das Zauberwort.

Verkrampftes Verhältnis zu Staatsschulden

Das Schlimmste, was der Schweiz passieren könnte beim Schuldenmachen, wäre langfristig eine schwächere Währung. Ein schwächerer Franken ist aber seit Jahrzehnten erklärtes Ziel des Landes. Damit will es die Exportwirtschaft stützen. Die Schweiz schwächt den Franken über die Nationalbank. Sie hat dafür 1000 Milliarden fremde Währungen angehäuft. Diese Billion ist gänzlich unproduktiv. Sie schult keinen einzigen Menschen um, bildet keinen Menschen weiter und schafft für keinen Menschen in diesem Land einen Job – abgesehen von einer Handvoll Devisenhändlern. Würde man hingegen Geld für den Aufbau digitaler und ökologischer Infrastruktur aufnehmen, würden alle Bürgerinnen und Bürger profitieren.

Die Schweiz muss umdenken. Ihr Verhältnis zu Konjunkturprogrammen und Staatsschulden ist verkrampft und veraltet. Wenn ich eines in diesem schwierigen Jahr und von meiner Mutter gelernt habe, dann ist es dies: Wir dürfen auch inmitten von Krisen nie die Zukunftspläne aus den Augen verlieren. #aufbruch

Patrizia Laeri (43) hat soeben die Online-TV-Sendung «#DACHelles» lanciert. Sie ist TopVoice LinkedIn DACH und Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

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