Eines muss man dem Basler Ökonomen Wolfram Kägi lassen: Er hat das Timing hervorragend gewählt, um seine Schnapsidee unters Volk zu bringen. Mitten im Sommerloch erklärte der Leiter des Beratungsbüros BSS via «NZZ am Sonntag», wie die AHV zu retten sei, nämlich «mit der Schaffung einer kinderabhängigen Rente».
Die AHV sei eine hohe finanzielle Belastung der Eltern. Die Rendite der Kinder werde sozialisiert, während die Kinderkosten zum grossen Teil privat zu tragen seien, moniert er. «Würde die Höhe der Rente gegenüber der Zahl der Kinder gekoppelt, könnte man den Mehraufwand der Eltern zumindest teilweise kompensieren.»
Die Medien nahmen den Steilpass gern auf, fanden es aber keine gute Idee. Sommerloch, eben. Tele Züri machte dazu sogar eine Strassenumfrage. (Vielleicht tat das auch die «Tagesschau». Keine Ahnung. Ich sehe sie eher selten).
Was Zahlenmenschen nicht begriffen haben: Die AHV ist ein politisches Konstrukt; kein ökonomisches. Wäre es ein ökonomisches, hätte man bei der zurückliegenden AHV-Revision den Frauen der Übergangsgeneration zur Kompensation des höheren Rentenalters nicht derart grosszügige Leistungen gewähren müssen. Man tat das aus politischen Gründen, um die Vorlage mehrheitsfähig zu machen und an der Urne nicht Schiffbruch zu erleiden.
Auch die 2. Säule, die berufliche Vorsorge, fusst mehrheitlich auf politischen und nicht auf ökonomischen Prämissen. Das wollen auch jene nicht verstehen, die mit einer Volksinitiative die verfassungsrechtlichen Grundlagen schaffen wollen, um laufende Pensionskassenrenten kürzen zu können. Sie stellen sich auf den Standpunkt, viele Männer und wenige Frauen würden wegen des zu hohen Umwandlungssatzes zu hohe Renten bekommen. Die 2. Säule funktioniert nach dem Kapitaldeckungsverfahren: Jeder spart für sich – notabene mithilfe des Arbeitgebers. In der Tat ging diese Rechnung in den vergangenen Jahren hauptsächlich wegen der höheren Lebenserwartung nicht mehr auf.
Ökonomisch haben die Initianten recht; politisch ist das Unterfangen hoffnungslos. Man kann nicht angehenden Rentnern versprechen, sie erhielten bis ans Lebensende so und so viel Rente, nur um dann im Nachhinein zu sagen: Sorry, dumm gelaufen.
Es ist zweifellos fragwürdig, den Mindestumwandlungssatz, mit dem die Rentenhöhe berechnet wird, ins Gesetz zu schreiben. So hat die Sozialkommission des Nationalrats im April 2016 die Motion «Entpolitisierung der technischen Parameter im BVG» eingereicht. Damit sollen Mindestumwandlungssatz und Mindestzinssatz nicht mehr von der Politik bestimmt werden, sondern von der Lebenserwartung und den Finanzmarkterträgen abhängig sein. Der Ständerat lehnte sie in der zurückliegenden Sommersession ab: nicht aus ökonomischen, aber aus politischen Gründen.