In der Geheimpapieraffäre ist vieles noch unklar, aber eines steht fest: Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen den Funden bei Donald Trump in seinem Anwesen Mar-a-Lago und denjenigen in Joe Bidens Büro und Autogarage. Der Republikaner Trump hatte rund 300 geheime – darunter 60 hochgeheime – Dokumente mit nach Hause genommen, bei Demokrat Biden sind es nach ersten Erkenntnissen und Aussagen offenbar weniger als ein Dutzend.
Auch bei der Kooperation mit den Behörden gibt es einen frappanten Unterschied: Während Trump die Ermittlungen mit allen Mitteln verhindern will und sie eine politische Hexenjagd schimpft, hat Biden seine Zusammenarbeit bei der Aufklärung des Falles sofort zugesagt.
Doch diese Unterschiede zählen zurzeit wenig. Es geht ums Prinzip. Biden hatte erst noch mit dem Finger auf Trump gezeigt und beteuert, dass ihm ein solches Verfehlen nie passieren könnte. «Unverantwortlich» nannte Biden den Umgang Trumps mit den Papieren im vergangenen Jahr.
Nun ist sein Saubermann-Image angekratzt. Oder ist es – nebst sprachlichen Aussetzern und einer Verirrung im Garten – ein weiterer Hinweis darauf, dass der 80-jährige Präsident im Kopf nicht mehr klar ist?
Der Fund der geheimen Papiere kommt für Biden in einem denkbar ungünstigen Moment. Man erwartet, dass er bald verkünden wird, ob er nochmals als Präsident kandidieren wolle. Sein Rückhalt wuchs in den vergangenen Monaten nach einer Durststrecke wieder an. Das zeigen die Ergebnisse bei den Zwischenwahlen vom 8. November und die Umfragewerte.
Doch Biden hat seinen mühsam errungenen Bonus auf einen Schlag verspielt. Die Geheimdokumentenaffäre und seine absurde Antwort, dass die Garage ja abgeschlossen sei, geben den Republikanern Auftrieb. Die Peinlichkeit, dass ihr Kevin McCarthy vergangene Woche nach erst 15 Runden zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt wurde, ist vergessen. Trumps Chancen für eine Wiederwahl steigen.
Was können die Demokraten tun? Es gibt nur eines: Biden muss so schnell wie möglich offenlegen, welche Dokumente auf welchem Weg zu ihm nach Hause gelangt sind, und dabei hoffen, dass es sich um unwesentliche Papiere handelt. Es ist seine einzige Chance, seinen Schuh aus dem Schlamassel zu ziehen und zu zeigen, dass er anders ist als Trump.