Das Bild auf dieser Seite erschien am vergangenen Montag – dem Frauentag – in der «Neuen Zürcher Zeitung». Es zeigt eine schwangere Frau in Afghanistan, die vor einem Gesundheitszentrum auf die Konsultation wartet.
Ja, so haben sich Frauen unter der Herrschaft der Taliban in der Öffentlichkeit zu zeigen: von Kopf bis Fuss verhüllt, vor den Augen ein Stoffgitter – ihr textiles Gefängnis, Tag für Tag.
Wer ist diese Frau? Wie ist diese Frau? Ist ihr Gesicht verhärmt? Oder das einer jungen Schönheit? Drücken ihre Augen Resignation aus? Oder die Zärtlichkeit einer Mutter?
Dass die Afghanin mit ihrem Kind auf dem Schoss glücklich strahlen könnte, ist für den Betrachter unvorstellbar. Der Verstand rebelliert gegen diese Imagination. So kann eine Frau ihr Menschsein doch nicht leben!
Doch, so müssen Frauen leben.
Und zwar nicht nur dort, wo der Koran und die Scharia in ihrer brutalsten Form zum Gesetz erhoben worden sind. Nein, überall dort, wo islamisches Recht die weibliche Welt bestimmt, sie beschränkt und erstickt: sei es durch die Burka, sei es durch das Kopftuch für Mädchen in der Schule – wie auch für viele Töchter traditioneller Migranten in Europa.
Am Montag war der internationale Kampftag für gelebte Gleichheit und verwirklichte Freiheit der Frau. Es war auch der Tag nach der Abstimmung über das Burkaverbot. Die Mehrheit des Schweizer Volkes hatte zugestimmt. Grüne und Linke, zuhauf Jungsozialistinnen und Sozialdemokratinnen kämpften verbissen gegen das Verhüllungsverbot: im Namen der Freiheit – der Freiheit der Frau, die Burka zu tragen.
Von Freiheit für die Frau, die Burka abzulegen, sprachen diese Feministinnen nicht.
Das Foto der Afghanin in der «NZZ» ist das schockierende Sinnbild zum Freiheitsverständnis von immer mehr Linken und Grünen, leider auch Linksliberalen: die Frau als Haufen dunkles Tuch. Ein Bild der Freiwilligkeit?
Eine perverse Ideologie hat Einzug gehalten in das Denken von einst aufgeklärten und fortschrittlichen Kräften der Schweizer Politik.
Am Frauentag war häusliche Gewalt zu Recht ein wichtiges Thema. Gewalttätiger Patriarchalismus ist auch in gutbürgerlichen Schweizer Familien noch nicht ausgerottet. Gut, dass Frauen dagegen die Stimme erheben.
Der Koran leitet die Ehemänner an, ihre Frauen zu erziehen: «Diejenigen aber, deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet, ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie.» Die Sure 4,34 ist Allahs eigenes, unanfechtbares Wort, das in der Scharia und den Überlieferungen Minderwert und Unwert der Frauen rechtfertigt.
Wo war am Schwesterntag die Solidarität mit der Schwester – den Schwestern – in Afghanistan? Wo hörte man eine Kampfansage gegen die religiöse Dogmatik, wonach die Frau sich dem Mann zu unterwerfen hat? Wo glühte der Zorn über eine Glaubenslehre, die den Gatten zum Erziehungsberechtigten seiner Frau bestimmt? Wo ging es um die Befreiung der muslimischen Frauen, die in Migrantenfamilien gewalttätigen Ehemännern ausgeliefert sind und die Züchtigung gläubig-duldend als Ausdruck religiösen Rechts hinzunehmen haben?
Wo war am Schwesterntag die Solidarität mit säkularen Musliminnen, die für Gleichheit und Freiheit der Frau im Islam kämpfen – unter Gefahr für Leib und Leben?
Wo, wo, wo?
Haben wir etwas übersehen? Haben wir etwas überhört?