Frank A. Meyer – die Kolumne
Schwestern

Publiziert: 14.03.2021 um 00:44 Uhr
Frank A. Meyer.
Frank A. Meyer

Das Bild auf dieser Seite erschien am vergangenen ­Montag – dem Frauentag – in der «Neuen Zürcher Zeitung». Es zeigt eine schwangere Frau in ­Afghanistan, die vor ­einem Gesundheitszentrum auf die Konsultation wartet.

Ja, so haben sich Frauen unter der Herrschaft der Taliban in der ­Öffentlichkeit zu zeigen: von Kopf bis Fuss verhüllt, vor den Augen ein Stoffgitter – ihr textiles Gefängnis, Tag für Tag.

Wer ist diese Frau? Wie ist diese Frau? Ist ihr Gesicht verhärmt? Oder das einer jungen Schönheit? Drücken ihre Augen Resignation aus? Oder die Zärtlichkeit einer Mutter?

Dass die Afghanin mit ihrem Kind auf dem Schoss glücklich strahlen könnte, ist für den Betrachter unvorstellbar. Der Verstand rebelliert gegen diese Imagination. So kann eine Frau ihr Menschsein doch nicht leben!

Doch, so müssen Frauen leben.

Und zwar nicht nur dort, wo der Koran und die Scharia in ihrer brutalsten Form zum Gesetz erhoben worden sind. Nein, überall dort, wo islamisches Recht die weibliche Welt bestimmt, sie beschränkt und erstickt: sei es durch die Burka, sei es durch das Kopftuch für Mädchen in der Schule – wie auch für viele Töchter traditioneller ­Migranten in Europa.

Am Montag war der internationale Kampftag für gelebte Gleichheit und verwirklichte Freiheit der Frau. Es war auch der Tag nach der Abstimmung über das Burka­verbot. Die Mehrheit des Schweizer Volkes hatte zugestimmt. Grüne und Linke, zuhauf Jungsozialistinnen und Sozial­demokratinnen kämpften verbissen gegen das Verhüllungsverbot: im Namen der ­Freiheit – der Freiheit der Frau, die ­Burka zu ­tragen.

Von Freiheit für die Frau, die Burka abzu­legen, sprachen diese Feministinnen nicht.

Das Foto der Afghanin in der «NZZ» ist das schockierende Sinnbild zum Freiheits­verständnis von immer mehr ­Linken und Grünen, leider auch Linksliberalen: die Frau als Haufen dunkles Tuch. Ein Bild der Freiwilligkeit?

Eine perverse Ideologie hat Einzug gehalten in das Denken von einst aufgeklärten und fortschrittlichen Kräften der Schweizer Politik.

Am Frauentag war häusliche Gewalt zu Recht ein wichtiges Thema. Gewalttätiger Patriarchalismus ist auch in gutbürger­lichen Schweizer Familien noch nicht ­ausgerottet. Gut, dass Frauen dagegen die Stimme erheben.

Der Koran leitet die Ehemänner an, ihre Frauen zu erziehen: «Diejenigen aber, deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet, ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie.» Die Sure 4,34 ist Allahs ei­genes, unanfechtbares Wort, das in der Scharia und den Überlieferungen Minderwert und Unwert der Frauen rechtfertigt.

Wo war am Schwesterntag die Solidarität mit der Schwester – den Schwestern – in ­Afghanistan? Wo hörte man eine Kampf­ansage gegen die religiöse Dogmatik, wonach die Frau sich dem Mann zu unter­werfen hat? Wo glühte der Zorn über eine Glaubens­lehre, die den Gatten zum Erziehungs­berechtigten seiner Frau bestimmt? Wo ging es um die ­Befreiung der muslimischen Frauen, die in Migranten­familien gewalt­tätigen Ehemännern aus­geliefert sind und die Züchtigung gläubig-duldend als Ausdruck religiösen Rechts ­hinzunehmen haben?

Wo war am Schwesterntag die Solidarität mit säkularen Musliminnen, die für Gleichheit und Freiheit der Frau im Islam kämpfen – unter Gefahr für Leib und Leben?

Wo, wo, wo?

Haben wir etwas übersehen? Haben wir ­etwas überhört?

Das Geschäftsmodell
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«frank & frei»:Das Geschäftsmodell
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