Frank A. Meyer – die Kolumne
Diktatur hui, Diktatur pfui

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Publiziert: 28.02.2021 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2021 um 15:54 Uhr
Frank A. Meyer

Die Schweiz ist nun also eine Diktatur. Und Alain Berset ist der Diktator. So taten Christoph Blocher und seine Tochter Magdalena Martullo-Blocher dieser Tage ihre Sicht der helvetischen Wirklichkeit kund.

Das Diktat von Blocher und ­Blocherin zur Diktatur-Schweiz ist damit ab sofort Doktrin der SVP, der sich Parteipräsident Marco Chiesa, gehorsamster ­Diener derer von Herrliberg, zu unterwerfen beeilt: «Wir müssen die absolute Macht des Bundesrates brechen.»

An der Diktatur-Kompetenz der Familie besteht kein Zweifel. Für Nationalrätin Martullo ist China «das Land mit der kompeten­testen Exekutive der Welt». West­liche demokratische Verhältnisse hält sie im Vergleich für eine verächtliche Veranstaltung: «Was nützt den Europäern deren ­Demokratie: Da werden den ­Leuten Leistungen versprochen, die nicht bezahlbar sind.»

Wie aber reimt sich diese Diktatur-­Begeisterung für ihr China mit der Diktatur-Schmähung unserer Schweiz?

Müssten Christoph und seine Magdalena nicht im Duett jubeln über die Verwandlung der Schweizer Demokratie in ein ­System, in dem endlich eine kompetente Exekutive denkbar ist, ihrem grossen ­Vorbild China zumindest nachempfunden? Könnte es ­andererseits sein, dass die ­Ems-Chefin durch die erfolgreiche ­Geschäfts­tätigkeit ihrer Firma im rigoros menschenrechtsfeindlichen Reich der ­Mitte etwas durcheinanderbringt?

Ja, wer weiss da überhaupt noch, wo ihm oder ihr der Kopf steht?

Darum ist es wohl am besten, die Lösung des Paradoxons in den Gedankentiefen des Patriarchen zu suchen. 1998 gewährte er Schülern ein Interview, in dem der Parteifürst freimütig seine Staatsvision für den Fall offenbarte, dass er an der Macht wäre: «Der Schweiz ginge es besser (...) Die ­Leute hätten nach wie vor etwas zu sagen (...) Ich würde eine wirksame Opposition zulassen, sie sogar fördern, denn sie hilft einem, ­richtig zu führen, weil man auch die an­dere Seite sieht.»

Bürger – «die Leute», Opposition – «zu­lassen»: Vokabeln vom Volkstribun für Volk und Volksherrschaft.

Was aber hat der Berserker vom Zürichsee dann gegen Berset, den Diktator von Bern? Bahnt sich doch aus seiner Sicht offenbar endlich an, was anzubahnen der Blocherismus sich seit drei Jahrzehnten erfolglos ­bemüht!

Soll sie einer verstehen, diese Po­pu­listen­welt!

Doch bevor wir uns hintersinnen, sinnen wir vielleicht besser mal dem nach, was ­hinter dem Diktatur-Getöse politisch ­ge­rade steckt: Die SVP macht gegen «Arbeitsver­bote» durch den Lockdown ­mobil; sie ­beklagt die Absurdität, dass ­Blumenläden und Bordelle offen sind, Buch­läden da­gegen geschlossen; sie fordert «klare und funktionierende Schutzkonzepte», damit die Schweiz wieder «zum Leben zurück­kehren» kann, denn «sonst machen wir die gesunde Bevölkerung krank»; sie beschwört das Los der jungen Menschen, von denen «Hunderttausende in ihrer Existenz ge­fährdet» sind; sie ­prangert den Rückstand des Bundesamtes für Gesundheit bei der Digitali­sierung an; sie kritisiert den mangelnden «Schutz der alten Menschen» ebenso wie das ­Versagen Berns bei der Impfstoff-Beschaffung.

Man mag damit im Einzelnen einverstanden sein oder auch nicht – jedenfalls ist es verdienstvoll, wenn sich die grösste Partei des Landes als Oppo­sition ins Zeug legt: Die Demokratie funktioniert, im aktuellen Fall dank SVP.

Ja, die Populistenpartei thematisiert und bewirtschaftet immer wieder wirkungsvoll ­Probleme, die andere, zumal die Linken, vor allem die selbst­gewissen ­Sozialdemokraten negieren, verdrängen oder ver­gessen, weil sie gerade anderweitig beschäftigt sind. Womit eigentlich?

Die SVP spricht also aus, was ganz normale Bürgerinnen und Bürger ­bedrängt, nicht zuletzt Arbeitnehmer, die einstmals SPS wählten. Wo sollen die sich heute politisch beheimatet fühlen?

So wäre denn die Schweizerische Volks­partei eine respektable Bewegung der Schweizer Demokratie. Was heisst – «wäre»? Sie ist es, immer wieder. Auch wenn sich noch so viele Wortführer links der Mitte ­darauf verständigt haben, dass eins und eins nicht zwei ergeben darf, bloss weil die SVP dies behauptet.

Bleibt die Frage: Warum nur muss dieser für die Schweizerische Volkspartei so äusserst nützliche Eindruck immer wieder durch einfältiges Gerede ihres Führungspersonals zerstört werden?

«Diktatur Schweiz»! «Diktator Berset»!

Dümmer gehts nimmer.

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