Fix zur Gesellschaft
Wenn Desinfektionsmittel die Weltherrschaft übernehmen

Mein Chef wollte, dass ich das hier schreibe. Und ich will ja meinen Job behalten – gerade in schweren Zeiten. Aber der Chef hat ja recht, es ist schon ein Zeug mit diesen Desinfektionsmitteln!
Publiziert: 24.10.2020 um 14:21 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2020 um 17:16 Uhr
Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
Foto: Thomas Meier
Alexandra Fitz

[10:58, 22.10.2020] Benno Tuchschmid: schreib mal darüber, dass man sich bei jeder zweiten desinfektionspumpe selbst besudelt, weil einem das mittel waagrecht entgegenspritzt.
[10:58, 22.10.2020] Benno Tuchschmid: regt mi uf.
[12:32, 22.10.2020] Ale: okay, mach ich. titel so in etwa: ich mag nicht, wenn es mir ins gesicht spritzt.
[12:32, 22.10.2020] Ale: gibt klicks!
[12:35, 22.10.2020] Benno Tuchschmid: ich schätze ca. 150000.

So lief der Chat mit meinem Chef ab, in dem er mir von einer Idee für meine Kolumne erzählt. Original kopiert. Ohne Korrektur. Ich schwör!

Aber er hat ja recht. Desinfektionsmittel, plötzlich zum Alltag gehörend, können ganz schön Ärger machen. In Deutschland etwa gibt es kaum Desinfektionsspender im öffentlichen Raum. In Zürich steht an jeder Ecke so eine Flasche (könnte man jetzt auch anders verstehen). In Biel sind die Spender so auffällig beim Eingang platziert, dass man fast drüber stolpert, und im Jura forderte man uns beim Betreten eines Geschäfts stets auf zu pumpen.

Mittlerweile reibe ich mir die Hände so oft mit dem Zeug ein, auch wenn ich in der Zwischenzeit gar nichts berührt habe. Es ist wie ein Zwang, der sich verantwortungsbewusst anfühlt. Es ist aber auch jedes Mal eine Überraschung, was da rausfliesst. Kennen Sie die Dinger (vorwiegend in Discountern und Möbelgeschäften), die dermassen nach Schnaps riechen, dass man nicht weiss, ob man die Finger ablecken soll? Oder diese schleimigen, glitschigen, die nicht einziehen? Oder die, die es wirklich selten gibt, die so gut duften, dass man minutenlang an seinen Fingern schnüffelt? Ein Arbeitskollege hat in unserem Bürogebäude einen Desinfektionsspender entdeckt mit einem «uhh feinen» Mittel, den es nur in einer einzigen Männertoilette gibt. Letzte Woche war ich in einem Blumengeschäft, und das Desinfektionsmittel, welches auf einem kleinen Holztischchen drapiert war, war das schönste, das ich jemals zu Gesicht bekommen habe. Das dunkelbraune Fläschchen, die weisse Pumpe – dieser herrliche, weihnachtliche Duft.

Wenn sie bloss nicht in alle Richtungen spritzen würden, diese Pumpen. Der Chef will ja, dass ich von entgegenspritzendem Desinfektionsmittel schreibe. Wie viel von dieser Flüssigkeit hatten Sie schon auf dem Pulli statt auf den Händen? Chef, wenn du mich suchst: Ich bin dann mal im Blumenladen beim Luxus-Schnaps!

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