Fix zur Gesellschaft
Entschuldigung, haben Sie einen Bären gesehen?

Die meisten Kinder haben ein Lieblingsstofftier seit der ersten Stunde. Unsere Autorin hat das ihres Sohnes verloren – und ging auf die Suche.
Publiziert: 10.04.2022 um 11:56 Uhr
Das ist nicht das Kind unserer Autorin, sondern Prinzessin Charlotte aus England. Ein bisschen Privatsphäre muss sein.
Foto: Herzogin Catherine
Alexandra Fitz

Wir haben es zu spät bemerkt. Draussen war es bereits dunkel, und der Kleine lag schon im Bettchen. Sein Stofftier war weg! Vom Dorfboden verschluckt!

Der kleine Bär in Altrosa war verschwunden. Wobei «Bär» es nicht treffend beschreibt. Das Tier hat nur einen Kopf, der Körper hängt in Form eines viereckigen Stoffes dran. Die meisten Kinder haben jahrelang so ein verwaschenes Ding mit seltsamem Namen an ihrer Seite. Viele sogar noch im Erwachsenenalter! Wir waren traurig über den Verlust und hatten eine Mission: Am nächsten Morgen würden wir die Spazierrunde vom Vortag mit dem Velo abfahren.

Kaum aus dem Bett, schon im Sattel. Das Dorf schläft noch. Mein Freund brettert voraus, ich pedale hinten nach. Ich hasse es, hinten zu sein. Noch mehr hasse ich es, von hinten gedrängt zu werden. Ich solle schneller fahren, heisst es. Wir suchen das Stofftier unseres Sohnes und sind nicht an der Tour de Suisse, denke ich. «Du musst schon schauen und nicht bloss fahren!», rufe ich nach vorne. Ich gucke auf Pfosten und Zäune. Wenn dann wurde der Bär in die Höhe gelegt.

Während wir die Gegend absuchen, bin ich überraschend zuversichtlich. Wir sind aufm Dorf, und ein Stofftier ist emotional eine andere Liga als irgendein seelenloses Kleidungsstück. «Es steht auch Vorname und Nachname unseres Sohnes auf dem Etikett!», rufe ich nach vorne. Was mein Freund antwortet, höre ich nicht. Ich weiss nicht, wie oft ich schon sagte, dass ich nichts verstehe, wenn er beim Radeln in Fahrtrichtung spricht.

Kurz bevor wir auf den steilen, schmalen Kiesweg kommen, der in den Wald führt, liegt der Bär auf einer Thuja (haben Sie das Wort schon mal geschrieben? Das musste ich also wirklich nachschauen). Sichtlich müde und abgehalftert. Das Fell schmutzig, die Augen glasig. Aber lebend – und gerettet. Wir steigen vom Velo, heben ihn von der Tuia – ah Mist: Thuja! – und glucksen vor Freude. Eine junge Frau beobachtet uns von ihrem Balkon und sagt anerkennend: «So ein Stofftier ist sehr wichtig. Gut, habt ihr es wieder!»

Wir radeln heim. Jetzt wird es ein Rennen. Unsere Wege trennen sich. Jeder sucht den schnellsten Schleichweg. Keine Rücksicht. Tour de Suisse. Schnaufend treten wir ins Haus (Ich hab gewonnen! Übrigens: Ich hatte ein E-Bike) und halten den Bärenkopf wie eine Trophäe in die Höhe. Das Baby sieht zufrieden aus – es hat wohl gar nicht gemerkt, dass etwas fehlte.


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