Fix zur Gesellschaft
Easy, Bro

Unsere Autorin hört gerne fremden Gesprächen zu. Im öffentlichen Verkehr geht das prima. Doch was Teenager so rauslassen, ist dann doch oft zu viel.
Publiziert: 20.09.2020 um 09:39 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2020 um 16:38 Uhr
Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin.
Foto: Thomas Meier
Alexandra Fitz

Donnerstags, kurz vor ein Uhr in einem Bus in Zürich. Drei Schüler sitzen im Viererabteil. Also genau genommen haben sie beide Viererabteile vis-à-vis besetzt, zu dritt acht Plätze. Teenager. So 15 vielleicht.

Sie sprechen über London. «London ist nicht Europa», sagt der Kleinste. Auf zwei seiner Finger hat er die Wörter «Sleep» und «Please» geschrieben. «Sicher ist London in Europa», protestieren die anderen. London sei einfach nicht mehr in der EU. Der, der jetzt ziemlich allein dasteht mit seinen Kenntnissen, sagt: «Sie bewohnen Europa. Gehören aber nicht dazu.»

Die Teenager nennen sich alle «Bro». Aber zwei der drei, also der Klugscheisser und der im Viererabteil vis-à-vis, sind tatsächlich Brüder. Ihr Vater habe ihnen angeblich eine Reise versprochen. Das erklärt der Klugscheisser gerade dem Dritten. Dieser sagt: «Wieso solltet ihr jetzt überhaupt verreisen?»

«Dad hat uns das geschenkt. Ich hab gesehen, dass es mega günstige Flüge nach Dubai gibt.» Dann sagt der Reise-Skeptiker zu ihm: «Dubai ist nicht Europa.» Doch der referiert schon: «Business pro Person hin und zurück 2000 Franken. Das ist nichts.» Er hätte ja nach St-Tropez gewollt, aber das sei ja auf der Liste. «St-Tropez?, fragt sein Kollege. «Ja, weisch wie geil!»

Sein älterer Bruder rollt die Augen. Der Kleine sagt: «Du musst ja eh deine Weisheitszähne rausziehen lassen.» Und fährt weiter: «Ich mach doch nicht keine Ferien, nur weil du deine Zähne ziehst.» – «Bro», sagt sein Bruder, «du hast da was falsch verstanden.»

«Ja, easy, Bro.» Papa müsse eh mal schauen wegen Corona. Der Klugscheisser sagt: «Es gibt einen bestätigten Fall aus der 3. oder 4. Klasse.»

Ein Schüler steigt ein, setzt sich dazu und fragt: «Hattet ihr die Physikprüfung schon?» Hatten die drei nicht, sie fragen nach dem Thema. «Thermodynamik. Es war nicht ohne.» Er verabschiedet sich wieder, müsse zu einem Kollegen hinten im Bus.

Es geht jetzt um ein Geburtstagsgeschenk. Der Ältere der Bros zeigt auf seinem Smartphone ein buntes Shotglas in Form eines Penis. Die Teenager lachen. Der Klugscheisser weiss: «Wenn eure Putzfrau solche Sachen bei euch im Zimmer sieht, kommt die nie mehr.»

Nach der Penis-Glas-Recherche schaut sich der Ältere auf Instagram um, der Skeptiker blickt aus dem Fenster, und der Klugscheisser betrachtet seine Finger. «Sleep Please.»

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