Ich könnt ja zumindest in dieser Kolumne Superwoman sein. Mich ins beste Licht rücken. So tun, als ob ich mich immer zu benehmen weiss. Dass ich immer korrekt bin, besonnen, nie laut. Aber das wäre langweilig und halt auch einfach gelogen. Sie wissen ja, ich bin in dieser Kolumne ziemlich schonungslos. Vor allem mit und zu mir selbst.
Besonnen – das bin ich beispielsweise gar nicht. Ich rede, bevor ich zu Ende gedacht habe, und ich schimpfe, schon bevor ich wütend bin. Vor allem fremde Mitmenschen, die sich meines Erachtens nicht korrekt verhalten, bekommen das verbal zu spüren. Sei es auf der Strasse oder auf der Post.
Es ist 8.25 Uhr, ich schiebe den Kinderwagen und eile zur Kita. Da steht so ein langer, dunkler Riesen-Audi mit seinem Füdla halb auf dem Zebrastreifen. Ich schlängle an seinem Heck vorbei und drehe mich natürlich um, obwohl mir schon klar ist, was für ’ne Art Fahrer am Steuer sitzt. Der Typ schaut aufs Handy und tippt drauf rum. Sein Fenster ist ein wenig geöffnet, und ich rufe: «Wichser!»
Auf der Post war das so: Ich trete in diese Schiebewelt. Wie heisst denn das? So ein Teil, das sich dreht. Seltsame Erfindung. Man steht dann da in so einem Glasabteil und wartet, bis man auf der anderen Seite wieder hinaustreten kann. Da kommt so ein Typ in mein Abteil und stellt sich vor mich. Deshalb ist er vor mir beim Nümmerliautomaten. «Gohts no?», entfährt es mir. Wir wechseln ein paar böse Worte. Vor allen. Vor meinem Baby, das ich mir um den Körper geschnallt habe.
So ein kleines Wesen erdet schon, ja. Aber halt auch nicht immer. Ob ich mich vor meinem Baby schäme, fragen Sie? Hab ich mir auch überlegt. Aber nö, noch nicht. Im Moment kennt er ja noch keine Schimpfwörter. Heisst: Wenn ich mit lieber Stimme «Wichser» sagen und dabei lächeln würde, würde er mich genau gleich süss anstrahlen, wie wenn ich «Schätzle» sage. Und «Gohts no?» sag ich sowieso ständig.
