CO₂-Werte explodieren
2023 ist das Rekordjahr der globalen Erwärmung

Ein neuer Bericht von über 590 Klimawissenschaftlern zeigt: Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ist heute 50 Prozent höher als vor der Industrialisierung. Warum uns das auch in der Schweiz etwas angeht.
Publiziert: 04.09.2024 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2024 um 08:10 Uhr
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Klimawissenschaftlerin und ETH-Professorin Sonia I. Seneviratne erklärt, warum 2023 das Rekordjahr der globalen Erwärmung ist.
Foto: Siggi Bucher
Sonia I. Seneviratne

Vor wenigen Tagen wurde der Bericht «State of the Climate in 2023» von mehr als 590 Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus 60 Ländern in der Zeitschrift der American Meteorological Society veröffentlicht. Das Fazit ist verheerend.

Die durchschnittliche CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ist heute um 50 Prozent höher als vor der Industrialisierung. Besonders stark war der Anstieg im Jahr 2023. Grund dafür waren neben den jährlichen CO₂-Emissionen aus der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle, die die Hauptursache der Klimakrise sind, auch Waldbrände in Kanada. Die Wahrscheinlichkeit dieser Brände wurde vom menschengemachten Klimawandel erhöht. Sie verursachten im Jahr 2023 mehr Treibhausgasemissionen als die meisten Länder der Welt (mit Ausnahme von China, Indien und den USA) und zeigen das Potenzial für gefährliche, sich selbst verstärkende Effekte mit zunehmender globaler Erwärmung. Sie hatten auch schwerwiegende Folgen für die Menschen und Ökosysteme vor Ort. So mussten in Kanada rund 232'000 Menschen evakuiert werden. Die betroffene Waldfläche entspricht der vierfachen Fläche der Schweiz.

Auch die globale Erwärmung war 2023 höher als je zuvor, was dem langfristigen Trend entspricht und durch eine El-Niño-Phase noch verstärkt wurde. Zudem stieg der Meeresspiegel weiter an und war 2023 höher als je zuvor. Der Bericht zeigt, dass im Jahr 2023 ein sehr grosser Teil der Landfläche von Dürre betroffen war und dass mehrere Länder mit aussergewöhnlichen Hitzeextremen zu kämpfen hatten.

Diese Häufung von Klimafolgen und ihre Verstärkung durch Rückkopplungen wie Waldbrände zeigen deutlich: Während wir die Ursachen der Klimakrise – nämlich die Verbrennung fossiler Brennstoffe – in der Hand haben, können wir die meisten Folgen nicht kontrollieren, weil es jedes Jahr mehrere Risiken für ausserordentliche Klimaextreme und Dominoeffekte gibt.

Geht uns das in der Schweiz etwas an? Muss sich ein kleines Land, das «nur wenige Prozent der globalen Emissionen» verursacht, auch um die Reduktion seiner Emissionen bemühen? Ja, das betrifft uns in der Schweiz, denn jedes Land muss seine Verantwortung wahrnehmen. Wir haben ein Klima- und Innovationsgesetz, das aber erst im Januar 2025 in Kraft tritt. Für eine langfristige Stabilisierung der Erderwärmung auf 1,5 Grad ist aber auch eine globale Halbierung der CO₂-Emissionen bis 2030 entscheidend, wie der jüngste Bericht des Weltklimarats (IPCC) zeigt. Das schweizerische Klima- und Innovationsgesetz enthält jedoch kein 2030-Ziel, und die im Entwurf vorliegende CO₂-Verordnung enthält nur schwache Ziele für den Verkehr (–25 Prozent gegenüber 1990) und die Industrie (–35 Prozent), womit eine Halbierung bis 2030 nur durch Kompensation im Ausland erreicht werden könnte.

In Krisenzeiten braucht es diejenigen, die den Weg zeigen. Und welches Land ist in einer besseren Position dafür als die Schweiz? Ein reiches und sicheres Land, das ausserdem der Sitz mehrerer Institutionen der Vereinten Nationen ist, darunter auch der Weltklimarat (IPCC).

Vielleicht wäre jetzt der Moment, sich an das Schweizer Landesmotto zu erinnern: «Unus pro omnibus, omnes pro uno» – «Einer für alle, alle für einen.» Und nicht «Jeder für sich» …

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