Berner Platte – die SonntagsBlick-Kolumne
Ich, Heldin des Alltags

Grünen-Nationalrätin Aline Trede über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – und in ihrem Fall Politik –, die in der Schweiz immer noch so schwierig ist.
Publiziert: 10.09.2023 um 09:02 Uhr
Aline Trede, Berner Nationalrätin und SonntagsBlick-Kolumnistin.
Foto: ALESSANDRO DELLA VALLE
Aline Trede*

Der Wecker klingelt. Es geht los. Kinder aus dem Bett holen, Zmorge machen, Schulsäcke packen, gleichzeitig die Nachrichten reinziehen. Und ja nichts für den Nachwuchs vergessen: Wer hat heute Turnen? Wer muss das Instrument mitnehmen? Mich selber parat machen. Meine Unterlagen einpacken, letzte Infos meinen Eltern übermitteln, die den Nachmittag mit den Enkelkindern managen. «Bitte Schuhe anziehen, wir müssen los.» Sollte ich noch eine andere Bluse mitnehmen? Am Abend habe ich ein Podium. Nochmals die Treppe hoch. Regnet es heute? Also die Regenhose auch noch einpacken. «Bitte die Schuhe anziehen, wir müssen los.» Hast du jetzt dein Turnsäckli? Zähne geputzt? «Schuhe anziehen! Wir müssen los.»

Kinder in der Schule, ich auf dem Velo zur Arbeit, via Handy bin ich schon beim ersten Weekly Call. Es ist erst kurz nach 8 Uhr und ich fühle mich schon als Heldin des Alltags. Der Tag geht so weiter, Sitzung jagt Sitzung, noch Fotoshooting hier oder Interview da. Am Abend eine Diskussionsrunde irgendwo in der Schweiz zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Um Mitternacht bin ich zurück, schaue, ob die Kinder ruhig schlafen, checke den Rest, schliesse die wichtigsten Pendenzen ab und fertig für heute.

Es gäbe für Familien bessere Systeme als das schweizerische. Zum Beispiel flächendeckend gute Kitas und Tagesschulen. Was hier aber oft chancenlos ist. Bezahlbare Kitas, anständige Löhne für Betreuerinnen und Betreuer, tiefe Betreuungsschlüssel. Wenn ich im Ausland erzähle, dass bei uns die Kinderbetreuung so föderalistisch organisiert und teuer ist, staunt man. Die Politik setzt andere Prioritäten, obwohl ein gutes Betreuungssystem gegen den Fachkräftemangel helfen würde.

Der Nationalrat hat die Anschubfinanzierung für die externe Kinderbetreuung in eine stetige gewandelt. Die Kantone würden finanziell unterstützt. Und der Ständerat? Die vorbereitende Kommission will weitere Varianten prüfen und verzögert das Geschäft.

Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass sich die Situation für werktätige Eltern verbessert. Nur so werden Tage nicht zu Marathonläufen. Und ich werde auf die Frage «Wie schaffst du das alles?» nicht mehr mit «eigentlich nicht» antworten müssen.

* Aline Trede ist Fraktionschefin der Grünen im Nationalrat und Umweltwissenschaftlerin 

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