Berner Platte – die SonntagsBlick-Kolumne
Charakterstudien zur Bundesratswahl

Alfred Heer über offene und versteckte Interessen der Parteien bei der Wahl der Regierungsmitglieder.
Publiziert: 10.12.2023 um 02:00 Uhr
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Aktualisiert: 21.12.2023 um 16:09 Uhr
SVP-Nationalrat Alfred Heer.
Foto: keystone-sda.ch
Alfred Heer*

Vor Bundesratswahlen setze ich mich mit den charakterlichen Eigenschaften der Kandidierenden auseinander, da dies nebst dem Fachwissen ein wichtiger Punkt für ein Mitglied der Landesregierung ist.

Interessant sind jedoch auch die Charaktere der Parteien und deren Mitglieder. Man merkt sofort, wie anpassungsfähig Parteien
und Parlamentarier werden, wenn es um Bundesratssitze geht. Für sie heisst es nicht mehr: Sagen, was gesagt werden muss. Sondern: Das sagen, was andere hören wollen, damit künftige Wahlchancen erhalten bleiben.

Bei der FDP ist die Ausgangslage klar; alle Mitglieder der Fraktion müssen Kreide fressen, damit Bundesrat Cassis nicht abgewählt wird. Man wirft sich vor der SP-Fraktion in den Staub und hofft auf deren Gnade beim zweiten Wahlgang. Charakter zeigen will die FDP nicht mehr. Sie klammert sich an ihren zweiten Bundesratssitz.

Die Raison d’être der Mitte

Die Mitte-Partei als Scharnier und Mehrheitsbeschafferin ist hier in einer wesentlich komfortableren Lage. Sie ist wie eh und je beugsam nach links und rechts. Deshalb verfügt diese Partei auch über kein Rückgrat, da dies beim Verrenken nur hinderlich wäre.

Raison d’être der Mitte ist der Machterhalt und das Besetzen von Pöstchen in der Verwaltung. Wir erinnern uns, wie die CVP vor den Erneuerungswahlen 1999 noch rasch ihre Bundesräte Flavio Cotti und Arnold Koller zugunsten von Joseph Deiss und Ruth Metzler auswechselte, um ihre Pfründe zu sichern. Auch an der Abwahl von Christoph Blocher 2007 war man beteiligt. Man wählte Eveline Widmer-Schlumpf, die dieses Jahr zusammen mit alt Bundesrat Samuel Schmid als Parteimitglieder sicherlich eine Einladung ans Mitte-Fraktionsessen erhalten haben. De facto hatte die Mitte von 2007 bis 2015 mit Widmer-Schlumpf weiterhin zwei Bundesräte und war damit massiv übervertreten.

Die DNA der SVP

Die SVP als grösste Partei und Wahlsiegerin musste in den letzten Jahren stets um ihre Bundesratssitze kämpfen. Das Kartell der Wahlverlierer versucht, wo immer möglich, die SVP zu schwächen. Deren Mitglieder müssen stark bleiben. Als eine der wenigen Parteien ging es bei uns stets darum, unsere Anliegen für eine freie, sichere und unabhängige Schweiz zu vertreten, weshalb wir auch zur stärksten Partei wurden.

Das Schielen auf Pöstchen lag nicht in der DNA unserer Partei. Allerdings frage ich mich, ob meine SVP-Kollegen, die das SP-Ticket loben, dies tatsächlich so meinen – oder ob sie nicht selber Ambitionen für die nächste SVP-Vakanz im Bundesrat haben.

* Alfred Heer ist Unternehmer und Zürcher SVP-Nationalrat. Er schreibt jeden zweiten Sonntag für uns – im Turnus mit Grünen-Nationalrätin Aline Trede.

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