Experte erklärt
Daran erkennst du unseriöse Zügelfirmen

Martin Simek (48) schleppte jahrelang Möbel im Auftrag einer traditionsreichen Zügelfirma, heute ist er ihr Geschäftsführer. Der Umzugsprofi weiss, welchen Horror man als Kunde in seiner Branche erleben kann.
Publiziert: 08.08.2024 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2024 um 11:37 Uhr
Erschlagen von Kisten? Kein realistisches Szenario. Ein Umzug kann einem aber auf jeden Fall über den Kopf wachsen.
Foto: Getty Images
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Jonas DreyfusService-Team

Der zweite offizielle Umzugstermin am 30. September rückt näher. Schweizer zügeln aber längst nicht mehr nur an fixen Tagen im Jahr, sagt Martin Simek. Er ist Co-Geschäftsleiter von Nägeli Umzüge, die während ihres 50-jährigen Bestehens mehr als 50 000 Umzüge durchgeführt hat. Simek ist seit rund 30 Jahren selbst als Zügelmann tätig. Er weiss, wie ein Umzug nicht zum Fiasko wir.

Blick: Herr Simek, was ist in Ihren Augen das Schlimmste, was einem bei einem Umzug passieren kann?
Martin Simek:
Wenn die Zügelfirma am abgemachten Datum nicht auftaucht.

Wie oft kommt das vor?
Vielen unserer Kunden ist das schon passiert. Sie kommen zu uns, nachdem sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Manche Anbieter lassen einen Auftrag kurzfristig fallen, zugunsten eines lukrativeren Angebots. Respektive: Sie machen einen neuen Terminvorschlag. Nicht alle der Firmen, die in der Schweiz tätig sind, lassen sich als seriös bezeichnen.

Martin Simek ist Geschäftsführer und packt selbst mit an.

Die Preise unterscheiden sich je nach Anbieter immens.
Ein Umzug hat seinen Preis. Ich wäre vorsichtig, wenn eine Firma einen tiefen Pauschalpreis anbietet, ohne sich ein Bild vor Ort gemacht zu haben. Es kommt oft vor, dass die Zügelmänner eintreffen und plötzlich sagen, dass es jetzt doch teurer werde, weil der Aufwand grösser sei als gedacht. Eine Kundin von mir hat in diesem Zusammenhang eine extreme Erfahrung gemacht.

Welche?
Vor Ort hiess es, sie müsse 1500 Franken mehr zahlen als ursprünglich vereinbart. Verlangt wurde Bargeld. Sie hob den Betrag ab und legte die Noten in ihre Handtasche, die sie unbeaufsichtigt liess. Als die Zügelmänner den Umzug mit Ach und Krach erledigt hatten, war das Geld aus der Handtasche verschwunden. Weil die Kundin die Sache schnell hinter sich bringen wollte, hob sie nochmals 1500 Franken ab. Ein Umzug lässt sich nicht einfach abbrechen oder spontan verschieben. Als Kunde ist man komplett ausgeliefert.

Wie sorge ich dafür, dass mir das nicht passiert?
Ganz einfach: Engagieren Sie nur Firmen, die Ihnen eine verlässliche Person empfohlen hat. Und nehmen Sie nicht das günstigste Angebot. Es ist gut, die Kosten im Blick zu behalten, doch wer nur ans Sparen denkt, wird schnell zum Opfer.

Gut gepackt ist halb gezügelt. Nur mit den richtigen Kartons kann das Fahrzeug optimal beladen werden.
Foto: Shutterstock

Was kann ich als Kunde für einen effizienten Umzug tun?
Ihn gut vorbereiten. Wichtig ist, dass alles in Kisten verpackt wird – und zwar in robuste. So können die Zügelmänner das Umzugsgut besser im Fahrzeug stapeln und mit Rollis schneller und effizienter transportieren. Gut gepackt ist halb gezügelt.

Welche Art von Kisten eignet sich?
Am besten sind doppelwellige Kartonboxen mit Griffbandverstärkung. Schwache Kisten knicken schnell ein. Auch Bananenkisten sind okay.

Was zeichnet ein gutes Zügelunternehmen aus?
Seine Mitarbeiter können abschätzen, wie lange ein Umzug dauern wird. Mit dieser Information kann berechnet werden, wie viele Zügelmänner es braucht, um die Arbeit in der zur Verfügung stehenden Zeitspanne zu erledigen. Kunden wollen oft sparen und für einen Auftrag möglichst wenig Personal buchen. Sie denken nicht daran, dass auch die Zeit kostet, bis die Arbeit erledigt ist. Und für die Moral der Truppe ist es auch nicht gut.

Wie meinen Sie das?
Wenn zwei Zügelmänner morgens mit einer vollgestopften 4.5-Zimmerwohnung konfrontiert werden, löscht es ihnen verständlicherweise ab. Dann wird es für den einzelnen auch schwierig, seine Kraft so einzuteilen, dass er bis zum Schluss durchhält. Schwere Sofas, Kommoden oder Schränke tragen bei uns sowieso immer vier Personen. Jeder an einer Ecke. Das Gleichgewicht muss stimmen.

Ab wann lohnt sich ein Möbellift?
Bei Umzügen mit grossen, schweren Möbeln, die in ein hoch gelegenes Stockwerk eines Hauses ohne Lift transportiert werden müssen. Die Fassade muss gut erreichbar sein. Der Lift ist vergleichbar mit einer Feuerwehrleiter. Die Fassade muss gut erreichbar sein – mehr als 15 Meter von ihr entfernt kann man den Lift nicht positionieren. Oben braucht es ein möglichst grosses Fenster oder noch besser ein Balkon, um die Möbel abzuladen.

Was halten Sie davon, Freunde als Zügelhelfer einzuspannen?
Wenn man in jungen Jahren zügelt und noch spärlich eingerichtet ist, kann sich das anbieten. So ab dreissig würde ich keine Kollegen mehr fragen – sonst hat man irgendwann keine Kollegen mehr.

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