Zürcher Quartierbeiz soll verschoben werden
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Investor rettet Restaurant:Zürcher Quartierbeiz soll verschoben werden

«Mich macht das glücklich»
Investor bewahrt alte Häuser vor dem Abriss

Schon mehrfach rettete der Bauingenieur Urs Räbsamen (64) alte Liegenschaften vor dem Abriss. Sein neuestes Projekt: die Quartierbeiz Frieden in Zürich-Affoltern. Das Haus mit Wohnungen soll sogar verschoben werden.
Publiziert: 17.07.2022 um 10:08 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2022 um 11:35 Uhr
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Das 1892 erbaute Haus mit dem Restaurant an der Wehntalerstrasse in Zürich-Affoltern in einer Aufnahme von 1940, wo noch wenig Verkehr auf den Strassen herrschte.
Foto: TAZ
Corine Turrini Flury

«Mich macht es glücklich, wenn ich sehe, wie sich die Leute über mein Engagement freuen und es motiviert mich», erzählt der Bauingenieur und Investor Urs Räbsamen (64). Mit seinen zwei Hunden erscheint er zum Treffen mit Blick in der Gartenwirtschaft des Restaurants Frieden in Zürich-Affoltern.

An den Tischen nebendran wird gejasst und Kaffee getrunken, während Räbsamen Pläne zeigt und von seinem neusten Projekt und bereits realisierten Umbauten erzählt.

Abbruch verhindert

Die beliebte Quartierbeiz an der Wehntalerstrasse steht einer geplanten Tramlinie im Weg. Das 130 Jahre alte Haus sollte darum abgerissen werden. Mit einer Petition wurden die Abbruch-Pläne verhindert.

«Das Haus ist grundsätzlich in gutem Zustand und es wäre schade, wenn es verschwindet», erzählt Räbsamen.

Schon mehrfach hat der Bauingenieur alte Gebäude mit Restaurants und Wohnungen vor dem Verschwinden bewahrt und saniert. Darunter die Nordbrücke in Wipkingen, die Krone in Altstetten, das Rössli in Aesch ZH oder den Schwanen in Schwerzenbach ZH, der nach einem Brand bis fast auf die Grundmauern abgebrannt ist und von Räbsamen aktuell wieder aufgebaut wird.

Hausverschiebung und Sanierung auf eigene Kosten

Eine Lösung für den Erhalt des Frieden hat der gebürtige Ostschweizer, der seit über 30 Jahren mit seiner Familie in Zürich lebt und arbeitet, gefunden. Mit der Stadt Zürich als Liegenschaftsbesitzern, der Verkehrsbetriebe und der Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich sowie mit der angrenzenden Siedlung «Frieden», hat er eine Absichtserklärung unterzeichnet.

Darin wird festgehalten, dass er die Liegenschaft im Baurecht übernimmt, das Gebäude um etwa zehn Meter von der Hauptstrasse weg verschiebt und das Haus inklusive Restaurant saniert.

Geschätzte Kosten für Sanierung und Verschiebung: Rund 3,7 Millionen Franken. «Ich übernehme gern Verantwortung und habe mich schon anderen Herausforderungen gestellt. Ich bin auch nicht der Erste, der ein Gebäude verschiebt. Das kommt schon gut», so Räbsamen lachend.

Ein Schwärmer für alte Bauten

«Reich werde ich mit solchen Umbauten nicht», sagt Räbsamen, der aus einfachen Verhältnissen stammt. Er begründet sein Engagement unter anderem damit, dass er immer auf der Suche nach Liegenschaften sei, um Aufträge und Arbeit für seine Firma zu generieren.

Vor allem aber liegen ihm alte Gebäude am Herzen. Er möchte den Quartier- und Dorfcharakter erhalten und etwas Bleibendes hinterlassen. Räbsamen erzählt leidenschaftlich von Umbau-Trouvaillen, zum Beispiel einer fast 500 Jahre alten Münze, die er gefunden und im Museum abgeliefert hat, schwärmt von den Schönheiten alter Bauten mit ihren Geschichten und erinnert sich mit Bedauern an den Abriss des Berggasthauses Annaburg auf dem Üetliberg in den 90-er Jahren.

«Ich habe mir schon früh vorgenommen, wenn ich mit meinen finanziellen Mitteln je die Möglichkeit habe, dass ich das Verschwinden solcher Bauten verhindern will und in die Sanierung und den Erhalt von solchen Häusern sinnvoll investiere.»

Seit Jahren ist Räbsamen in der glücklichen Lage, seinem Vorsatz aus jungen Jahren gerecht zu werden. Er erklärt: «Ich will aber nicht möglichst viel kaufen, sondern investiere sinnvoll und nachhaltig in schöne und erhaltenswerte Häuser und Restaurants.»

Räbsamen trifft sich auch privat gern mit Freunden auf einen Jass in einer Beiz und isst mit seiner Familie gern und regelmässig gutbürgerlich auswärts.

Langfristig rentabel dank Wohnungen

Nur aus ideologischen Gründen investiert er aber auch nicht in den Umbau von Restaurants. So hat er auch die Wirtschaftlichkeit seiner Investition in Affoltern geprüft. Langfristig rentabel seien für ihn vor allem die geplanten drei kleinen Wohnungen über dem Frieden, wie er erklärt: «Die müssen aber auch nach dem Umbau bezahlbar sein. Das ist meine Philosophie.»

Das ganze Haus soll nach der Sanierung hindernisfrei und alle Etagen mit Lift erreichbar sein. Die Restaurantküche und die Gaststube sollen erneuert und modernisiert werden, ohne dabei ihren Charme zu verlieren.

Wann das Umbau-Projekt gestartet werden kann, ist noch unklar. So bald wie möglich möchte Räbsamen loslegen. Für die Projektierungs- und Planungsphase rechnet er mit etwa zwei Jahren. Die Verschiebung und der Umbau dürften dann etwa ein knappes Jahr dauern.

Erleichterung im Quartier

Die Stammgäste, alteingesessene «Affoltemer» und die Bewohner der angrenzenden Alterssiedlung freuen sich über die Neuigkeit, dass ihre Beiz erhalten bleibt.

Dem Frieden-Wirt Heinz Kolb (59) und seiner Lebenspartnerin Claudia Alter (56), die seit über 23 Jahren mit Herzblut das Restaurant führen, ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, seit sie von der Rettung des Friedens wissen. «Wenn ich nach dem Umbau wieder hier wirten kann, arbeite ich auch bis 70 weiter. Das Restaurant ist mein Leben und für mich wie ein Kind», so Heinz Kolb.

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