Schweizer Astronom kritisiert Weltraum-Wahn
«Elon Musks Satelliten können gefährlich werden»

Wem gehört der Weltraum? Immer mehr Unternehmer wie Elon Musk wollen im All noch mehr Geld verdienen – unter anderem mit Satelliten-Internet. Der Berner Astronom Thomas Schildknecht ist über die explodierende Anzahl neuer Satelliten besorgt. Er fordert Regeln.
Publiziert: 04.10.2021 um 19:25 Uhr
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Thomas Schildknecht ist Vizedirektor des Astronomischen Instituts der Universität Bern. Der Astronom ist besorgt wegen des Satelliten-Internets der Multimilliardäre Elon Musk und Jeff Bezos.
Foto: Lea Ernst

Über der Universität Bern strahlt der Himmel wolkenlos. Doch da oben ist die Hölle los: Tausende Satelliten kreisen um die Erde und es werden immer mehr. Diesen Herbst startet das Starlink-Internet von Elon Musk, der dafür den Globus mit einem Netz aus Satelliten überzogen hat. Weitere Staaten ziehen bereits nach. Denn im All herrscht Goldgräberstimmung.

Dass Unternehmer wie Elon Musk plötzlich gigantische Satellitenflotten in den Weltraum schiessen, sei ein grosses Problem, sagt Thomas Schildknecht, Vizedirektor des Astronomischen Instituts der Universität Bern. «Die Konstellationen von Elon Musk können gefährlich werden – nicht nur für andere Weltraumakteure, sondern für uns alle.»

Space Race der Tech-Bosse

Was tun die beiden reichsten Männer der Erde? Sie streiten sich um den Himmel. Amazon-Gründer Jeff Bezos und Tesla-Entrepreneur Elon Musk liefern sich im Moment nicht nur ein Rennen darum, wer schneller die meisten Touristen durch den Weltraum gondeln kann. Beide bauen zurzeit auch ein eigenes Satelliten-Internet im All auf, bei dem es nicht nur um Prestige, sondern hauptsächlich auch um das grosse Geld geht.

Internet aus dem Orbit - auch für die Schweiz

Was bisher via Kabel übertragen wurde, soll zukünftig von einem weltumspannenden Netz aus Satelliten gesendet werden. Starlink, das Internetprojekt von Elon Musk, soll schnelles Internet auch in abgelegene Gebiete bringen, in denen kein herkömmlicher Kabelanschluss eingerichtet werden kann oder das Mobilfunknetz nicht ausreichend ist. Das ist längst mehr als Zukunftsmusik. Als bei der Hochwasserkatastrophe in Deutschland im Juli die Mobilfunkstationen ausfielen, konnte mit dem Satelliten-Internet überbrückt werden.

Die ersten knapp 2000 Starlink-Satelliten befinden sich seit 2019 im All. Derzeit wird die Testphase abgeschlossen, in den nächsten Monaten soll das Internet aus dem All kommerziell in 14 Staaten verfügbar sein. Dazu gehört auch die Schweiz.

Rund 40’000 weitere Starlink-Satelliten sollen in den nächsten Jahren folgen. Dies ist gemäss der European Space Agency (ESA) das Fünffache aller Satelliten, die seit Beginn der Raumfahrt im Jahr 1957 insgesamt in den Weltraum gestartet sind. Jeff Bezos’ Amazon-Projekt wird erst in ein paar Jahren so weit sein, doch für das britische Satelliten-Internet One Web wurden bereits erste Flugkörper ins All geschossen – geplant sind 48’000. Aus China sollen nach Staatsangaben bald 20’000 Satelliten für Internetprojekte in den Orbit gefeuert werden.

Was bisher via Kabel übertragen wurde, soll zukünftig von einem weltumspannenden Netz aus Satelliten gesendet werden. Starlink, das Internetprojekt von Elon Musk, soll schnelles Internet auch in abgelegene Gebiete bringen, in denen kein herkömmlicher Kabelanschluss eingerichtet werden kann oder das Mobilfunknetz nicht ausreichend ist. Das ist längst mehr als Zukunftsmusik. Als bei der Hochwasserkatastrophe in Deutschland im Juli die Mobilfunkstationen ausfielen, konnte mit dem Satelliten-Internet überbrückt werden.

Die ersten knapp 2000 Starlink-Satelliten befinden sich seit 2019 im All. Derzeit wird die Testphase abgeschlossen, in den nächsten Monaten soll das Internet aus dem All kommerziell in 14 Staaten verfügbar sein. Dazu gehört auch die Schweiz.

Rund 40’000 weitere Starlink-Satelliten sollen in den nächsten Jahren folgen. Dies ist gemäss der European Space Agency (ESA) das Fünffache aller Satelliten, die seit Beginn der Raumfahrt im Jahr 1957 insgesamt in den Weltraum gestartet sind. Jeff Bezos’ Amazon-Projekt wird erst in ein paar Jahren so weit sein, doch für das britische Satelliten-Internet One Web wurden bereits erste Flugkörper ins All geschossen – geplant sind 48’000. Aus China sollen nach Staatsangaben bald 20’000 Satelliten für Internetprojekte in den Orbit gefeuert werden.

Willkommen im Wilden Westen

Der Platz im erdnahen Orbit ist beschränkt. «Momentan stürzen sich die reichsten Privatunternehmer auf die Umlaufbahnen, um sie möglichst schnell zu besetzen», sagt Schildknecht. Ihr Ziel, Internet auch in abgelegene Regionen zu bringen, klinge zwar nobel. «Doch Musk liegen wohl nicht Satellitenschüsseln in der Steppe Afrikas am Herzen», so der Astronom. «Mit dem teuren Starlink-Internet will er finanzstarke Investoren und Kunden wie Hersteller von selbstfahrenden Autos oder Börsengeschäfte erreichen, die auf verzögerungsfreies Internet angewiesen sind.»

Doch: Wieso dürfen Musk und Bezos das All überhaupt kapern? «Der Weltraum ist der Wilde Westen», sagt Schildknecht. Der geltende Weltraumvertrag aus dem Jahr 1967 stellt hauptsächlich klar, dass der Weltraum von allen genutzt werden darf, sofern es in friedlicher Absicht geschieht. Bisher habe diese Freiheit funktioniert, so Schildknecht. «Aber mit den gigantischen Megakonstellationen von privaten Unternehmern braucht es jetzt unbedingt einen zeitgemässen rechtlichen Rahmen.»

Gefährlicher Weltraumschrott

Wer nicht direkt mit dem Weltraum arbeite, sei sich der Problematik oft nicht bewusst, sagt Thomas Schildknecht. «Dabei profitieren wir alle nahezu täglich vom Service aus dem All. Ob GPS oder die Wetterprognosen von Meteo Schweiz: Wir würden es ziemlich schnell merken, wenn diese Dienste wegfielen.»

Deshalb befasst sich Schildknecht jeden Tag mit dem Müllproblem, das die Menschheit in nur 64 Jahren Raumfahrt im Orbit hinterlassen hat. «Wir beobachten hier an der Universität Bern den Weltraumschrott und berechnen die Umlaufbahnen der einzelnen Teile.» Dadurch können die intakten Satelliten vor nahendem Schrott gewarnt werden und ein Ausweichmanöver starten.

Die Energie einer Handgranate

Schildknecht zeigt eine Vitrine mit gesammelten Teilchen Weltraumschrott. Defekte und ausgediente Satelliten, ausgebrannte Raketenstufen oder abgesplitterte Lackpartikel können Hunderte von Jahren im Orbit kreisen und sind nicht mehr steuerbar. Stösst ein solches Objekt mit einem intakten Satelliten zusammen, geht der nicht nur kaputt – durch den Crash entsteht noch viel mehr zusätzlicher Weltraumschrott. «Durch die hohe Geschwindigkeit kann im All nur schon ein Teilchen der Grösse eines Zentimeters beim Zusammenstoss die Energie einer Handgranate freisetzen», sagt Schildknecht.

Mit den vielen neuen Satelliten nehme auch die Menge an Weltraumschrott zu: «Irgendwann gibt es so viele Schrottteilchen, dass wir den Weltraum überhaupt nicht mehr nutzen können.» Daher brauche es Regeln – zum Beispiel Weltraumabgaben, mit denen die Verursacher des Schrotts zur Rechenschaft gezogen werden. «Mit diesem Geld können Projekte unterstützt werden, die das All von Weltraumschrott zu befreien versuchen, bevor es dort oben für Satelliten zu gefährlich wird», so Thomas Schildknecht.

Unser Nachthimmel verändert sich

Ein weiteres Problem der Starlink-Satelliten: Sie sind zu hell. Bereits der Start des Projekts hatte deshalb für einen Aufschrei bei Astronomen und Expertinnen gesorgt, deren lichtempfindliche Teleskope durch die hellen Bewegungen gestört wurden.

Mittlerweile hat SpaceX die Satelliten zwar mit einer Art Sonnenschirm ausgestattet, damit sie das Sonnenlicht etwas weniger stark reflektieren. Doch die Kritik reisst nicht ab: Starlink könnte extrem negative Auswirkungen auf Wissenschaftsprogramme haben, wie ein Bericht von 250 Astronominnen und Satellitenbetreibern ergab. So werde beispielsweise die Suche nach gefährlichen Himmelskörpern wie Asteroiden enorm erschwert.

Mittlerweile sei sogar schon von Werbeprojekten im Weltraum die Rede, sagt Thomas Schildknecht. «Doch bevor ein Coca-Cola-Schriftzug vom Nachthimmel blinkt, müssen wir uns früher oder später die generelle Frage stellen: Zu welchen Zwecken wollen wir die Nutzung des Weltraums gestatten?» Noch sei es nicht zu spät, um klare Regeln einzuführen. «Aber es muss sehr bald geschehen.»

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