Seit ChatGPT die Welt erobert, ist die Künstliche Intelligenz in aller Munde (KI). Das geht auch an der Geschäftswelt und Forschung nicht spurlos vorbei. Daten der Deutschen Bank zeigen: Es ist eine regelrechte Investment-Bonanza im Gange.
Unternehmensinvestitionen sind seit 2019 um 150 Prozent auf 160 Milliarden Franken pro Jahr angewachsen sind – dreissigmal mehr als noch vor acht Jahren. Die Konsequenz: Fast täglich verkünden Forscher und Unternehmen neuen KI-Innovationen. Bei manchen wird es wohl beim PR-Gag bleiben, während andere das Potenzial zu tiefgreifenden Veränderungen haben. Blick stellt sechs Anwendungen vor.
Darling
Nein, Darling soll nicht zum KI-basierten Partner für einsame Seelen werden. Hinter dem Akronym versteckt sich ein Forschungsprojekt der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit Hörgeräthersteller Sonova. Mithilfe von KI sollen Hörgeräte künftig die relevanten Geräusche für den Träger erkennen können und den Rest herausfiltern können. «In Situationen mit sehr vielen Geräuschquellen ist es für Betroffene eine grosse Herausforderung, einem Gespräch zu folgen», sagt Ingenieurin und Projektleiterin Ruksana Giurda. Der Abschluss des Projekts ist für 2024 geplant.
Blick-Urteil: Ein Projekt, das aufhorchen lässt – und das Leben von Millionen Menschen verbessern könnte.
Vivi Nova
Der Schweizer Getränkehersteller Vivi Kola bringt eine neue Rezeptur auf den Markt. Soweit nicht ungewöhnlich. Doch «Vivi Nova» ist beinahe ausschliesslich von verschiedenen KI-Diensten entwickelt worden – von der Rezeptur (ChatGPT) bis zum Design der Verpackung (Midjourney). Von der Idee bis zum finalen Produkt verstrichen gerade einmal zwei Tage. Ab Juni ist das Getränk in den Läden der Migros Genossenschaft Zürich erhältlich.
Blick-Urteil: Ein erfrischender PR-Gag.
Flappie
Wenn Katzen erbeutete Vögel oder Mäuse in die Wohnung schleppen, ist das ein Ärgernis. Dank KI und Schweizer Erfindergeist gehört es vielleicht schon bald der Vergangenheit an. Das Katzentürchen «Flappie» wurde von den Gebrüdern Widler an der ETH Zürich entwickelt. Die Idee: Ein eigens entwickelter Algorithmus prüft automatisch, ob die Katze etwas im Maul hat. Wird eine lebende oder tote Beute erkannt, bleibt die Katze – mitsamt Vogel, Maus oder Schlange – ausgesperrt.
Blick-Urteil: Eine Spielerei mit Potenzial zum Verkaufsschlager.
Sophia Genetics
Mit KI die Gesundheitswelt aufrütteln will ein Unternehmen aus Saint-Sulpice VD. Sophia Genetics ist ein Spin-off der ETH Lausanne und will mit DNA-Analysen die Behandlungsmöglichkeiten von Krebs und anderen Krankheiten verbessern. Fortschritte ermöglicht dabei maschinelles Lernen. Das bedeutet: Je mehr Daten der Datenbank zur Verfügung stehen, desto genauer werden die Diagnosen. Seit 2021 ist die Firma am Nasdaq kotiert, ihr Wert wird auf knapp 1,1 Milliarden Franken geschätzt.
Blick-Urteil: Gelingt das Vorhaben, revolutionieren sie das Gesundheitswesen.
Quazel
Duolingo hat das Erlernen von Sprachen schon länger demokratisiert. Statt mit einst teuren Sprachkursen können zumindest die Grundlagen einer Sprache heute bequem per Smartphone erlernt werden. Nun will ein Schweizer Start-up noch eine Schippe drauflegen. «Quazel» wurde von drei jungen Schweizern gegründet. Ein renommiertes Förderprogramm für Start-ups haben sie bereits gewonnen. Die Idee: Statt sich wie bisher durch repetitive Grammatik-Übungen kämpfen zu müssen, lernt man die Sprache künftig, indem man sich mit einem Chatbot über Gott und die Welt unterhält. Die Konkurrenz ist indes bereit: Duolingo hat bereits mit Chat-GPT-Entwickler OpenAI zusammengespannt und bietet mit Duolingo Max ein ähnliches Produkt an wie die drei Schweizer.
Blick-Urteil: Tolle Idee, doch im Haifischbecken des Silicon Valleys ein schwieriges Unterfangen.
Ovivo
Mit Diäten ist es oftmals eine Sache. Schnell sind die guten Vorsätze über Bord geworfen oder es herrscht Unklarheit, wie genau die Essensvorschriften umzusetzen sind. Genau da soll in Zukunft Digital-Health-Unternehmen Ovivo aus Altendorf SZ Abhilfe schaffen. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Bern und Zürich hat Ovivo im vergagenen Herbst eine App entwickelt, die Fotografien von Mahlzeiten und Getränken mithilfe von KI auswertet. «Das Analysesystem erkennt nicht nur die einzelnen Nahrungsmittel und schätzt dabei die Portionsgrösse ein, sondern berechnet, zu welchem Grad sich die Person auf wöchentlicher Basis an die mediterrane Ernährungsweise hält», wird Stavroula Mougiakakou, Forscherin an der Universität Bern, in einer Medienmitteilung zitiert.
Blick-Urteil: Ein Erfolgsversprechen für alle Beteiligten – gerade im Hinblick auf stets steigende Gesundheitskosten.