Nichts weist bei der Anfahrt darauf hin, dass in einem Aargauer Quartier eine Art Zukunftshoffnung der Schweizer Robotik versteckt ist. In Buchs AG, einem Aarauer Vorort, wechseln sich Häuser und Villen der Jahrhundertwende um 1900 mit Wohnblocks aus den letzten paar Jahrzehnten ab. In einem solchen Block, hinter einem Velokeller und der Garage, liegt ein wenig genutzter Gemeinschafts- oder Hobbyraum. Darin empfangen uns Quirin Meier und Mael Strasser (beide 16) mit ihrem Coach Beat Michel (70).
Was in diesem unspektakulären Raum geschieht, weist weit über ein provinzielles Quartier bei Aarau hinaus. Zum Beispiel bis nach Panama. Dort haben Quirin und Mael letztes Jahr in der obersten Altersklasse die World Robot Olympiad gewonnen. Aktuell bereiten sie sich darauf vor, nächsten November in der türkischen Stadt Izmir ihren Titel zu verteidigen. Im jährlich stattfindenden internationalen Wettbewerb messen sich unzählige Teams in drei Altersklassen aus über 100 Ländern. Letztes Jahr haben sich Quirin und Mael in der obersten Altersklasse gegen knapp 90 Teams durchgesetzt.
Komplexe Aufgaben mit Hindernissen und Zeitdruck
Jedes Jahr stellt die Wettbewerbskommission der World Robot Olympiad Association die Aufgabe, einen Roboter so zu bauen und zu programmieren, dass er auf einem vorgegebenen Feld komplexe Aufgaben lösen kann – auf Zeit. Hierfür erhalten alle Teilnehmer Anfang Jahr den gleichen Satz an Lego-Mindstorms-Teilen. Aus diesen müssen die Teilnehmer ihre Roboter bauen. Ein sogenanntes Spielfeld, eine bedruckte Kunststoff-Matte, auf der die zu programmierenden Aktionen durch den eigens dafür gebauten Roboter ausgeführt werden müssen. Und schliesslich die Aufgabenstellung. Um sicherzustellen, dass die Jugendlichen selber programmieren und nicht einfach die Arbeit eines Erwachsenen präsentieren, der geholfen hat, stellen die Organisatoren am Wettbewerb selbst jeweils auf demselben Spielfeld eine Zusatzaufgabe. Die Aufgabe – wie überhaupt das Feld der Robotik – ist also eine interdisziplinäre Angelegenheit zwischen Programmieren, Systemanalyse, Strategie und Ingenieurwesen.
Quirin und Mael kennen sich aus dem Kindergarten. Zwischenzeitlich haben sie sich aus den Augen verloren. Erst später haben sie sich in einem Aargauer Förderprogramm wiedergefunden. Und hier kommt ihr Coach Beat Michel ins Spiel. Der mittlerweile pensionierte Heilpädagoge hat sich vor Jahren auf Begabtenförderung spezialisiert. Im Rahmen eines solchen Projekts – «Talenteria», die Begabtenförderung von Windisch AG – das er geleitet hat, haben sich die drei zusammengefunden. Michel stellt den Übungsraum zur Verfügung und macht auch nach der Pensionierung gerne weiter: «Das hält mein Hirn fit und bringt mich aus dem Haus – auch wenn meine Frau sicher gerne etwas öfter mit mir campen gehen möchte!»
Leise Kritik an der Schweiz
Dieser Nachteil für Michels Gattin ist Mael und Quirins Glück. «Ohne ihn und die Talenteria hätten wir uns nie in diese Richtung entwickelt», sagt Mael. Dass es Förderung und etwas Glück – oder stattdessen grossen Eigenantrieb – braucht, zeigt der bisherige Werdegang der beiden: Beide kommen nicht aus einem Elternhaus, das sie speziell in Ingenieurwesen, Mathe oder Robotik gefördert hätte. «Mein Vater ist Holztechniker und arbeitet jetzt in der EDV, meine Mutter ist Heilpädagogin», sagt Mael. Und Quirin ergänzt: «Meine Eltern besitzen ein Metallbaugeschäft.» Dass Maels Mathetalent entdeckt wurde, er sich früh neue Lerninhalte im Rechnen erarbeiten konnte, verdankt er ganz besonders seiner engagierten Primarlehrerin. Da Maels Schule im kleinen Dorf Scherz wenig Schüler hatte, unterrichtete sie kleine Klassen und hatte so die nötige Zeit und Musse, sein Talent zu erkennen und ihn früh in Begabtenförderungsprojekte zu schicken. Quirin, aus dem Nachbardorf Habsburg, hatte ein solches Glück nicht. Er musste sich selbst bemühen: «Ich habe aktiv nach Robotik-Förderung gesucht, weil es mich einfach interessiert hat, und bin so auf die Talenteria gestossen.» Mael führt an dieser Stelle leise Kritik an der Schweiz an: «In der Schweiz gibt es leider recht wenig Begabtenförderung, und es ist oft Glückssache, ob ein Talent erkannt und gefördert wird. Da haben uns asiatische Länder so einiges voraus.»
Die Schweiz nimmt in der Robotik weltweit eine führende Rolle ein, gilt als Silicon Valley der Robotik. Ursprung der Erfolgsgeschichte ist die lange Tradition in Industriebau und der Uhrenindustrie. So hat sich die Robotik teilweise nahezu fast schon organisch entwickelt. Noch heute ist die ABB, die historisch unter anderem aus der in Baden gegründeten BBC (Brown Bovery & Cie) hervorgegangen ist, weltweit führend im Bereich der Industrierobotik.
Auch die Anzahl der Patente im Bereich Robotik ist die der Schweiz riesig: Die Schweiz belegte 2017 weltweit den dritten Platz, was die Dichte der Patente im Bereich Robotik auf die Bevölkerungszahl gerechnet betrifft. Seit dem Jahr 2000 hat sich zudem die Anzahl der Schweizer Robotik-Patente, die globale Gültigkeit haben, verdoppelt.
Diese Pionierrolle ist neben der historisch ansässigen Industrie auch der Vorreiterrolle der ETH zu verdanken. Dies, gekoppelt mit einer seit dem Ende der 1990er- Jahre verstärkten Start-Up Förderung für Tech-Jungunternehmen hat dazu geführt, dass mittlerweile in der Grossregion Zürich über 100 Jungunternehmen im Bereich der Robotik- und Sensorik-Spitzenforschung, der AI, autonomen Systemen und Computer Vision (Erkennen von Objekten und Personen) tätig sind, die global wahrgenommen werden.
Daraus entstehen unzählige Anwendungsmöglichkeiten. Etwa mobile, selbstgesteuerte Bodenroboter, die im Bau, bei Rettungseinsätzen oder für Lieferungen eingesetzt werden können. Im medizinischen Bereich arbeite etwa die IBM an Pharmarobotern, die selbständig neue Moleküle mit neuen Wirkungsmöglichkeiten als Medikamente berechnen und herstellen. Oder, um näher bei einer allgemeingültigen Wahrnehmung eines Roboters zu bleiben: Individualisierte Exoskelette, die etwa für Bauarbeiten eingesetzt werden können, sind bei der Firma Hilti bereits Realität. Auch in der Drohnentechnologie sind Schweizer Firmen global gesehen Spitze – etwa im Bereich der Flugsicherung mit Skyguide.
Allgemein kann man feststellen: Die Robotik, die im Grossraum Zürich entwickelt wird, deckt nahezu alle Anwendungsbereiche von Robotern ab.
Die Schweiz nimmt in der Robotik weltweit eine führende Rolle ein, gilt als Silicon Valley der Robotik. Ursprung der Erfolgsgeschichte ist die lange Tradition in Industriebau und der Uhrenindustrie. So hat sich die Robotik teilweise nahezu fast schon organisch entwickelt. Noch heute ist die ABB, die historisch unter anderem aus der in Baden gegründeten BBC (Brown Bovery & Cie) hervorgegangen ist, weltweit führend im Bereich der Industrierobotik.
Auch die Anzahl der Patente im Bereich Robotik ist die der Schweiz riesig: Die Schweiz belegte 2017 weltweit den dritten Platz, was die Dichte der Patente im Bereich Robotik auf die Bevölkerungszahl gerechnet betrifft. Seit dem Jahr 2000 hat sich zudem die Anzahl der Schweizer Robotik-Patente, die globale Gültigkeit haben, verdoppelt.
Diese Pionierrolle ist neben der historisch ansässigen Industrie auch der Vorreiterrolle der ETH zu verdanken. Dies, gekoppelt mit einer seit dem Ende der 1990er- Jahre verstärkten Start-Up Förderung für Tech-Jungunternehmen hat dazu geführt, dass mittlerweile in der Grossregion Zürich über 100 Jungunternehmen im Bereich der Robotik- und Sensorik-Spitzenforschung, der AI, autonomen Systemen und Computer Vision (Erkennen von Objekten und Personen) tätig sind, die global wahrgenommen werden.
Daraus entstehen unzählige Anwendungsmöglichkeiten. Etwa mobile, selbstgesteuerte Bodenroboter, die im Bau, bei Rettungseinsätzen oder für Lieferungen eingesetzt werden können. Im medizinischen Bereich arbeite etwa die IBM an Pharmarobotern, die selbständig neue Moleküle mit neuen Wirkungsmöglichkeiten als Medikamente berechnen und herstellen. Oder, um näher bei einer allgemeingültigen Wahrnehmung eines Roboters zu bleiben: Individualisierte Exoskelette, die etwa für Bauarbeiten eingesetzt werden können, sind bei der Firma Hilti bereits Realität. Auch in der Drohnentechnologie sind Schweizer Firmen global gesehen Spitze – etwa im Bereich der Flugsicherung mit Skyguide.
Allgemein kann man feststellen: Die Robotik, die im Grossraum Zürich entwickelt wird, deckt nahezu alle Anwendungsbereiche von Robotern ab.
Mittlerweile herrscht bei den beiden eine Art durchlässige Arbeitsteilung. «Ich baue mehr, programmiere aber manchmal auch», sagt Quirin. «Und Systemanalyse und Strategie machen wir zusammen», sagt Mael, der hauptsächlich programmiert. Beide sind mit analytischem Talent gesegnet: Auf Nachfrage zum Lieblingsfach in der Schule geben beide wie aus der Pistole geschossen «Mathe!» an. Erstaunlicherweise ist das Fach Programmieren weniger beliebt – vielleicht, weil sich die beiden selbst schon so vieles angeeignet haben. Mael sagt jedenfalls: «Ich weiss gar nicht mehr, wie ich mir Programmieren überhaupt beigebracht habe – es ist einfach organisch aus Interesse geschehen.» Hassfach ist bei beiden übrigens auch dasselbe: «Franz!»
Da ist es ein Glück, ist die internationale Sprache Englisch. Meistens hat die vom Wettbewerbskommitee gestellte Aufgabe etwas mit dem Gastgeberland zu tun. Im Fall von Panama, wo der Panamakanal auf 82 Kilometern Wasserstrasse den Atlantik mit dem Pazifik verbindet, war das Thema Schifffahrts- und Hafenlogistik. So musste ein Computer im Spielfeld diverse Ladungen aufladen und an anderen Orten wieder abladen. Also eine Aufgabe, die die Teilnehmer bereits auf reale Aufgabenstellungen in Robotik vorbereitet. Was so einfach klingt, ist eine höchst komplexe Angelegenheit: Die Fahrtwege müssen optimiert geplant sein, es sind Hindernisse eingebaut und Zusatzaufgaben wie das Umlegen einer Barriere oder einer Art Schalter mussten möglichst ohne Zeitverlust ebenfalls erledigt werden.
Quirin und Mael zeigen den Ablauf, der noch immer einwandfrei funktioniert. So saust ihr Legoroboter effizient über das Spielfeld, schmeisst mit Schmackes Boxen auf seinen Rücken, dockt an Schiffen an, schiebt diese umher, lädt die Boxen ab und legt nebenher auch gleich noch ein paar Schalter um. Eine Art mechanisierter, bewegungsoptimierter Tanz – nicht ohne Charme.
Wenn die Faszination für Lego endet
Quirin und Mael erklären im Detail, was die Probleme dabei waren – das letztjährige Spielfeld ist noch immer auf einem Tisch aufgebaut. Sie sind sich beide einig: Das Hauptproblem liegt an den obligatorisch zu verwendenden Bauteilen, der Hardware sozusagen. Denn die Lego-Mindstorms-Teile verhalten sich – zusammengebaut und programmiert – «ziemlich mühsam ungenau», sagt Quirin. Überhaupt hätten sie das Material langsam ausgereizt – dessen Limitationen ärgern sie.
Die neue Aufgabe, an der sie aktuell arbeiten, darf weder gefilmt noch fotografiert werden – die beiden Robotik-Talente befürchten zu Recht Nachahmer, sollte etwas von ihrer bisherigen Arbeit für die diesjährige Olympiade in der Türkei öffentlich werden. In der oft von Erdbeben geplagten Region besteht die Aufgabe darin, einen Roboter zu entwickeln, der Trümmer wegräumt und Häuser wieder aufräumt.
Ob die beiden Ausnahmetalente in Zukunft Robotik studieren, ist ihnen noch unklar. Mael tendiert eher zur Softwareentwicklung, Quirin weiss es noch nicht. Momentan freuen sie sich hauptsächlich darauf, dieses Jahr ihren Titel zu verteidigen und 2025 in der Kategorie «Future Innovators» an der Olympiade teilzunehmen: Dort entfällt das Materialobligatorium, und Quirin und Mael freuen sich darauf, Materialien wie Sensoren, Greifarme oder andere Hardware und Mechanismen selbst auszuwählen oder gleich zu entwickeln.
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