Ukrainischer Pfarrer schreibt für Blick Osterbotschaft
«Auch die Ukraine hofft auf Auferstehung»

In der Schweiz hat das Osterwochenende begonnen, doch in der Ukraine dauert das Leid der Karwoche an: Der bischöfliche Delegierte Nazar Zatorskyy (42) hat für Blick eine Osterbotschaft geschrieben – auch auf Ukrainisch (Link unten).
Publiziert: 15.04.2022 um 18:36 Uhr
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Aktualisiert: 16.04.2022 um 08:14 Uhr
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Nazar Zatorskyy (42) ist Doktorand an der theologischen Fakultät in Freiburg.
Foto: Nathalie Taiana
Nazar Zatorskyy

«Liebe Leserinnen und Leser

Morgen feiert die Schweiz Ostern. Bald werden die Schmerzen des Karfreitags überwunden sein, die Tränen Marias und der anderen Frauen nach der Auferstehung Jesu trocknen. Die Betroffenheit und Ratlosigkeit der Jünger werden Freude und Begeisterung weichen, nachdem sie dem Auferstandenen gegenübergetreten sind.

In der Ukraine ist Ostern dieses Jahr eine Woche später. Das heisst, die Karwoche ist noch nicht überstanden: die Zeit des Weinens und des Klagens, über uns und unsere Kinder, über die Kreuzabnahme zahlreicher Opfer der Massaker in Butscha, Hostomel, Bodorianka und in vielen anderen ukrainischen Ortschaften. Das Weinen und Klagen über die Zeit, in der man wie gelähmt verstummt angesichts dieser sinnloser Gräueltaten. Wenn die Grausamkeit einem den Schlaf raubt und die Tränen in den Augen erstarren lässt.

Die Karwoche wird in der Ukraine dieses Mal wohl länger als eine Woche dauern. Sie hat pünktlich zur Fastenzeit begonnen, doch wird sie voraussichtlich nicht pünktlich zu Ostern enden. So wie Jesus die Jünger vor seinen Leiden zum Wachen und Beten aufgerufen hat, möchte ich dieselbe Bitte an Sie adressieren, liebe Leserinnen und Leser. Wachet und betet!

Wachet, damit euch niemand irreführt. Denn in letzter Zeit haben sich viele sogenannte Putin-Versteher zu Wort gemeldet, die diesen Krieg verteidigen oder die Schuld dafür dem Westen, der Nato oder gar der Ukraine selbst zuschieben wollen. Ein Punkt dieser Opferbeschuldigung ist, dass die Ukraine in die Nato eintreten wollte.

Was dabei verschwiegen wird: Die Tatsache, dass die Ukraine bis zur russischen Annexion der Krim 2014 einen neutralen Status in der Verfassung verankert hatte. Erst die russische Aggression brachte die Ukraine schliesslich dazu, einen Nato-Beitritt überhaupt in Betracht zu ziehen. Wie bei Jesus wurde eine Anklage gesucht, um verurteilen zu können. Und weil es keine gab, musste eine erfunden werden.

Wachet und betet! Das Gebet im Garten Getsemani gibt Jesus Kraft für die bevorstehenden Leiden. Er betet nicht alleine, sondern bittet seine Jünger, es ihm gleichzutun. Ihre Unterstützung im Gebet ist dem Sohn Gottes wichtig. So ist er auch ein Menschensohn, dem das solidarische Gebet seiner Freunde viel bedeutet.

Das Gebet hat eine unglaubliche Kraft: Es verleiht den ukrainischen Soldaten den Mut, ihre Familien und ihr Land zu verteidigen. Es gibt den ukrainischen Flüchtenden die Kraft, trotz Erschöpfung weiterzugehen in Richtung Sicherheit. Das Gebet leitet die Getöteten und unterstützt die Zurückgelassenen. Es vermag den unsagbaren Schmerz derjenigen zu lindern, die seelisch und körperlich traumatisiert wurden. Es erlaubt ihnen, mit den Verletzungen und Schmerzen besser fertig zu werden, die sie am Körper und im Herzen erlitten haben. Das enorme Leid und die unmenschliche Grausamkeit lähmt uns und verwüstet uns innerlich.

Doch ist es die Nächstenliebe, die in diesen Zeiten Hoffnung schöpfen lässt. Die Hilfsbereitschaft gegenüber geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern, die weltweite Solidarität mit der Ukraine. Sie sind es, die neues Vertrauen in die Menschen und die Menschlichkeit schaffen. Es ist einfach unglaublich, wie viele sich daran beteiligen: Sei es durch die Aufnahme der Flüchtlinge, sei es durch die Spenden von Gütern oder Geld, sei es durch die Organisation und Teilnahme an Kundgebungen, die für die Regierungen der Welt ein starkes Zeichen setzen.

Diese unglaubliche Welle des Mitgefühls mit den Opfern und dem Widerstand gegen den Aggressor lässt Hoffnung schöpfen, dass auch für die Ukraine bald Ostern wird. Dass sich auch dort der Frühling durchzusetzen vermag, und dass auch für die Ukrainerinnen und Ukrainer auf die Leiden des Karfreitags der Siegestag der Auferstehung folgt. Genau so, wie auch Christus auferstanden ist.»

Hier Text auf Ukrainisch lesen!

Pfarrer der Ukrainer

Nazar Zatorskyy (42) ist Doktorand an der theologischen Fakultät in Freiburg. Als bischöflicher Delegierter ist er für die ukrainischen Christen in der Schweiz zuständig. Die Ukrainerinnen und Ukrainer nennen ihn hier «unseren Pfarrer». Seit 17 Jahren lebt Zatorskyy in der Schweiz. Für die ukrainische Gemeinschaft in der Schweiz sei die Situation schwierig, weil man nichts direkt tun könne: weder an Sanitätskursen teilnehmen noch sich anderweitig auf die territoriale Verteidigung der Ukraine vorbereiten. Der Sorge um die Zukunft seines Landes und seiner Freunde sei man ausgeliefert. Für Zatorskyy ist es deshalb wichtig, zusammenzukommen und sich gegenseitig Trost zu spenden.

Nazar Zatorskyy (42) ist Doktorand an der theologischen Fakultät in Freiburg. Als bischöflicher Delegierter ist er für die ukrainischen Christen in der Schweiz zuständig. Die Ukrainerinnen und Ukrainer nennen ihn hier «unseren Pfarrer». Seit 17 Jahren lebt Zatorskyy in der Schweiz. Für die ukrainische Gemeinschaft in der Schweiz sei die Situation schwierig, weil man nichts direkt tun könne: weder an Sanitätskursen teilnehmen noch sich anderweitig auf die territoriale Verteidigung der Ukraine vorbereiten. Der Sorge um die Zukunft seines Landes und seiner Freunde sei man ausgeliefert. Für Zatorskyy ist es deshalb wichtig, zusammenzukommen und sich gegenseitig Trost zu spenden.

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